Frische Milliarden gegen die Krise

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Als die Steuerschätzung wuchtig nach unten sackte, verkündete der Ministerpräsident einen drastischen Sparkurs. Das sei „notwendig und ohne Alternative“. Man müsse die Aufgaben den geringeren Einnahmen anpassen. Nun – das war Edmund Stoiber im November 2003. Im Jahr 2020 brechen die Steuereinnahmen noch viel dramatischer ein, die Corona-Krise reißt Milliardenlöcher in Bayerns Haushalt – diesmal geht der aktuelle Ministerpräsident aber einen alternativen Weg.

„Die Zeit für einen Wissenschafts-Schub ist günstig wie nie“, sagt Markus Söder. Sein Ministerrat hat am Montag beschlossen, den Rotstift vorerst nicht zu zücken, sondern mit antizyklischen Investitionen in die Hochtechnologie die Wirtschaft anzuschieben. „Es geht um Arbeitsplätze von morgen, die deutlich länger halten als die Corona-Krise“, erklärt Söder. Sein Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sagt bodenständiger: „Wir müssen gut düngen, damit Neues nachwächst.“

900 Millionen Euro pumpt Bayern in den schnelleren Ausbau seines Hightech-Forschungsnetzwerkes, bisher mit zwei Milliarden angesetzt. Es gibt keine sensationellen neuen Projekte, aber alles wird beschleunigt. Ab sofort werden die Ausschreibungen für 1800 neue Forschungsstellen in die Wege geleitet, darunter 737 Professoren (Größenordnung: einmal die komplette Münchner LMU). Eigentlich war der Ausbau schrittweise bis 2023 geplant. „Da sollen Nobelpreisträger entstehen“, sagt Söder, man orientiere sich Richtung Harvard und Yale, zwei internationalen Eliteschmieden.

Die Hyperloop-Teststrecke der TU München – Fahren mit beinahe Schallgeschwindigkeit – soll 2021 begonnen werden. Ein Zentrum für superschnelle Quantencomputer wird beschleunigt, Arbeitstitel „Quantum Valley München“. Die Luftfahrtprogramme, inklusive Flugtaxis in Ingolstadt und Satelliten aus Oberbayern, werden aufgestockt. Martinsried soll zum Biomedizin-Campus Nummer eins in Deutschland anwachsen. Je nach Sichtweise klingt das visionär oder abgehoben – Söder verweist hingegen auf konkrete Projekte in allen Landesteilen. Bayern müsse langfristig die Transformation schaffen, andernfalls drohe eine erhebliche Deindustrialisierung.

Bayern macht dafür Schulden in Milliardenhöhe. Söder vertraut auf den riesigen Rahmen des Landtags, der für die Corona-Rettungsmaßnahmen bis zu 20 Milliarden Euro genehmigt hatte. Davon sind, Steuerlöcher schon eingerechnet, erst elf Milliarden verplant. Der Finanzminister, qua Amt eher ein Bremser, trägt das deshalb ausdrücklich mit. „Das ist ein zupackendes Konjunkturpaket“, sagt Albert Füracker (CSU), „seriös, kein finanzpolitisches Abenteuer.“

Wie wackelig die Finanzplanung in Corona-Zeiten ist, zeigt allerdings ein weiterer Plan Fürackers. Er will dem Landtag diesmal keinen Doppelhaushalt für zwei Jahre mehr vorlegen – alles zu volatil, stattdessen nur einen Haushalt für ein Jahr, 2021.

Aus der Opposition kommt ein differenziertes Urteil zu Söders Hightech-Plan. „Seit langem fordern wir mehr Investitionen in die Zukunft. Gut, dass da endlich was vorangeht“, sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze unserer Zeitung. Sie verlangt, dass die Infrastruktur bei den vielen neuen Stellen mitwachsen müsse. Es gebe „einen unglaublichen Sanierungsstau an den Hochschulen – der muss endlich behoben werden“. Ähnliches fordert die Landtags-SPD.

Die Grünen legen bei ihrer Fraktionsklausur ab morgen in Kelheim ein eigenes Wirtschaftskonzept für den Weg aus der Corona-Krise vor: „Umbau Bayern“. Teil der Klausur sind Gespräche im BMW-Werk Dingolfing. „Wir Grüne wollen, dass sich unsere bayerischen Betriebe den Mobilitätsmarkt der Zukunft erobern und sich dort nachhaltig etablieren“, sagt Schulze. „Bei diesem Transformationsprozess müssen wir sie unterstützen.“ Eine Verkaufsförderung für Verbrenner biete aber bestenfalls ein „kurzes, teures Strohfeuer“ – man dürfe sich nicht an die Vergangenheit klammern.

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