München – Versandapotheken wie Doc Morris und Co. locken mit günstigen Preisen und bequemer Zustellung. Doch ob im Ausland sitzende Händler ihre Medikamente entsprechend den deutschen Vorschriften verschicken, wird nicht kontrolliert. Zu diesem Schluss kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags.
In einer E-Mail, die unserer Zeitung vorliegt, wandte sich der Münchner Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) am Montag spätnachmittags an die Gesundheitspolitiker der Unionsfraktion – „mit der dringenden Aufforderung, die Schlussfolgerungen dieses Papiers in den anstehenden Beratungen zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) zu berücksichtigen“, wie er schreibt. Denn in der von Pilsinger in Auftrag gegebenen Ausarbeitung kommt der Wissenschaftliche Dienst zu dem Schluss: „Eine Überwachung ausländischer Apotheken in Bezug auf die Einhaltung deutscher Vorschriften existiert de facto nicht.“
In Deutschland gelten für den Versandhandel mit Medikamenten besondere Regeln. Das Arzneimittel muss so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass seine Qualität erhalten bleibt und die Wirksamkeit nicht leidet. Das Medikament muss innerhalb von zweit Arbeitstagen versendet werden. Zudem muss unter anderem sichergestellt sein, dass die Arznei nur an den tatsächlichen Besteller ausgeliefert wird. Überwacht wird das von deutschen Behörden – eigentlich. Denn im Ausland werden diese nicht tätig. Und der Wissenschaftliche Dienst hält es für „ausgeschlossen, dass eine ausländische Behörde die ansässigen Apotheken auch in Bezug auf die Einhaltung deutscher Vorschriften kontrolliert“. Es gebe deshalb eine „systemimmanente Überwachungslücke“.
Problematisch scheint das gerade mit Blick auf die Niederlande, wo große Versandhändler wie Doc Morris oder Shop Apotheke sitzen. Anders als in Deutschland können sich dort auch Apothekenketten in Form von Kapitalgesellschaften bilden. Doc Morris erzielt einen Jahresumsatz von rund 900 Millionen Euro, bei der Shop Apotheke sind es rund 700 Millionen Euro. Deutschland ist der größte Markt in Europa.
Und während die Regeln beispielsweise in Großbritannien weitestgehend mit den deutschen vergleichbar seien, haben die Niederlande keine mit „dem deutschen Recht vergleichbaren Sicherheitsstandards“ im Gesetz verankert. Unter anderem gebe es dort keine spezielle Regelungen zur Qualitätssicherung beim Arzneimittelversand, schreibt der Wissenschaftliche Dienst. „Der Gesetzgeber vertraut weitestgehend auf die freiwillige Selbstkontrolle der Apotheken.“
Gesundheitspolitiker Pilsinger schreibt deshalb an seine Kollegen von CDU und CSU, er halte es „für unbedingt geboten, entsprechende Maßnahmen zur Qualitätssicherung im deutschen Arzneimittelrecht zu verankern“. Konkret schlägt er vor, Versandhändler – auch ausländische – zu einer Kühlkette zu verpflichten, die diese auch nachweisen müssten. „Bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln beispielsweise mithilfe engmaschiger Temperaturkontrollen während des Transports.“ Um auch die Beratungsqualität zu gewährleisten, will Pilsinger zudem, dass verschreibungspflichtige Medikamente künftig nur noch durch medizinisches Fachpersonal ausgeliefert werden dürfen. Also nicht mehr, wie bisher oft, von Paketservice-Mitarbeitern.
SEBASTIAN HORSCH