WIE ICH ES SEHE

Dreitausend Jahre Torheit der Regierenden

von Redaktion

Die Stadtväter von Troja waren gewarnt durch Cassandra, die Tochter des Königs, als sie das hölzerne Pferd in ihre Stadt holten. Bis heute gilt das Trojanische Pferd als Muster für unheilbringende, politische Fehlentscheidungen.

Das Projekt der Gasröhren durch die Ostsee hätte niemals von einer deutschen Regierung gebilligt werden sollen, weil wir damit Ländern wie Ukraine, Polen und anderen in den Rücken fallen, uns in der EU isolieren. Weite Kreise in Berlin glauben demgegenüber, die amerikanische Kritik daran habe wirtschaftliche Gründe, weil man sich selbst besser mit Flüssiggas ins Geschäft bringen möchte. Das ist zu klein gedacht und wenn wir schon Gas kaufen müssen, dann doch bitte auch von einem Land, das unsere Werte teilt. Jetzt hängt es am seidenen Faden, ob die durch den erneuten russischen Mordversuch an einem Oppositionellen aufgeschreckte Berliner Regierung noch zur Besinnung kommt. Wir sollten russisches Gas weiter durch die vorhandenen Gaspipelines beziehen, die durch die Ukraine führen.

Töricht ist auch die Ausbremsung der Kernenergie, anstatt diese als Übergangstechnologie so lange zu behalten, bis bessere Energieformen technisch und wirtschaftlich machbar sind. Die schrittweise Zurückdrängung der CO2-produzierenden Energieformen dagegen ist notwendig für den Klimaschutz. Mit der Abschaffung der Kernkraft aber schlachtet man offensichtlich „das falsche Schwein“. Kernkraft nämlich ist die einzige Energieform, die absolut CO2-frei gewonnen und verbraucht werden kann. Die noch vorhandenen Kernkraftwerke müssen weiter laufen, falls das überhaupt noch möglich ist. Deutschland hat mit dem Ausstieg aus dieser Hochtechnologie inzwischen wichtige Jahre der Forschung und Weiterentwicklung versäumt. Dort, wo wir einmal führend waren, bauen heute andere immer bessere Reaktoren.

Bei den Brüsseler Brexit-Verhandlungen wiehert das nächste Trojanische Pferd. Großbritannien soll im Gegenzug für Handelsfreiheit sämtliche „EU-Standards“ auf dem Gebiet des Sozialrechtes wie des Umweltschutzes einhalten. Die Briten sind aber gerade deswegen aus der EU ausgetreten, weil sie sich nicht mehr Brüsseler Regeln und Vorschriften unterwerfen wollen. Für uns wäre es nur von Vorteil, wenn Großbritannien in manchen Fragen, die in der EU überreguliert sind, künftig freiheitlichere Wege geht. Daraus können die verbleibenden EU-Länder lernen, Schlechtes unterlassen und Gutes in die eigene Agenda aufnehmen. Weil der Blick auf diese einfache Einsicht im Trojadorf Brüssel durch alle möglichen Bedenken verstellt ist, könnte das Schlimmste passieren: ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der Union.

So hängt das Schicksal Europas einmal wieder am seidenen Faden. Eine kluge Realpolitik statt diffusen Wunschdenkens wäre notwendig. In dreitausend Jahren hat sich nicht viel geändert. Cassandras Gabe, dass sie alles voraussehen konnte, war verbunden mit dem Fluch, nichts am vorgezeichneten Verlauf des Geschehens ändern zu können. Vergebens mahnte sie: „Ich fürchte die Griechen und doppelt, wenn sie schenken.“ Das Verderben kam über die Stadt durch die Annahme eines „Geschenkes“ – die erste politische Fehlentscheidung, von der wir Kenntnis haben.

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VON DIRK IPPEN

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