München – Überraschend kam der Schritt nicht mehr. Am Freitag begann in Israel der zweite landesweite Corona-Lockdown. Mindestens in den kommenden drei Wochen müssen sich die Menschen erneut auf drastische Einschränkungen einstellen. Die strikte Maßnahme soll die Zahl der Corona-Fälle, die zuletzt auf Rekordwerte gestiegen war, eindämmen.
Israel ist weltweit eines der Länder, das am schwersten von der zweiten Welle getroffen ist. Aktuell liegt die Gesamtzahl der Infizierten bei rund 180 000, 1196 Menschen sind bisher gestorben. Im Sommer hatten Experten der Regierung den Vorwurf gemacht, Lockerungen verfrüht vorgenommen zu haben.
Die Maßnahmen während des Lockdowns sind nun strikt. Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen, auch Hotels, Einkaufszentren sowie Freizeiteinrichtungen müssen schließen. Restaurants dürfen Essen nur noch für Lieferungen außer Haus verkaufen. Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche sind weiter erlaubt. Die Menschen dürfen sich nur in Ausnahmefällen weiter als 1000 Meter von daheim entfernen.
Auch in Großbritannien könnte bald ein ähnlicher Schritt erfolgen. Top-Forscher hätten der Regierung einen zweiwöchigen Lockdown empfohlen, um die Infektionszahlen in den Griff zu bekommen, berichtete die „Financial Times“. Er solle nach einer Empfehlung des wissenschaftlichen Beratergremiums während der Schulferien im Oktober stattfinden. Niemand wünsche sich einen Lockdown, aber auch in Großbritannien sei die zweite Ausbruchswelle angekommen, sagte Premier Boris Johnson dem Sender Sky News. Wer schärfere Maßnahmen vermeiden wolle, müsse sich an die Regeln halten.
Während auch Länder wie Frankreich oder Spanien unter massiv zunehmenden Infektionszahlen leiden, ist der Anstieg in Deutschland relativ moderat – noch. Der Berliner Virologe Christian Drosten sagte, man müsse sich klarmachen, „dass wir, wenn wir die Kurven übereinanderlegen, etwas hinterherhinken hinter Spanien und Frankreich und England“. Man solle sich aber nicht vormachen, „dass sich das bei uns alles ganz anders entwickelt“.
Drosten benannte einige Unterschiede zu den Krisenländern in Südeuropa. „Unsere Haushalte sind häufig kleiner, wir haben mehr Einpersonenhaushalte.“ Es gebe weniger Mehr-Generationen-Familien, in denen das Virus über die Altersgrenzen sehr leicht verbreitet werde.
In Spanien gibt es seit Wochen jeden Tag 10 000 und mehr Neuinfektionen. Und das trotz strenger Vorsichtsmaßnahmen, etwa einer Maskenpflicht im Freien. Ein Problem ist, dass die kontaktfreudigen Spanier sich oft privat treffen und beim Besuch von Bars und Restaurants nachlässiger geworden sind.
In Frankreich hat die Zahl der täglichen Neuinfektionen am Freitag die Marke von 13 000 geknackt. Die Zahl der Toten steigt nicht massiv an, die Auslastung der Krankenhäuser liegt auf niedrigem Niveau. Im Süden werden aber Intensivbetten knapp.
Frankreich testet Rückkehrer weniger umfangreich als Deutschland – eine Quarantäne- und Testpflicht gilt nur für wenige Länder. Auch bei der Nachverfolgung hapert es. Die Corona-Tracking-App ist ein Flop. Sie wurde über zwei Millionen Mal runtergeladen und hat weniger als 200 Mal angeschlagen, was sogar von offizieller Seite „lächerlich“ genannt wird. In Restaurants und Bars gibt es keine Formulare, um Kontaktfälle zu identifizieren. dpa/afp