Rom – Im Sommer vor einem Jahr setzte Matteo Salvini alles auf eine Karte. Der damalige italienische Innenminister provozierte den Bruch der Koalitionsregierung seiner rechten Lega mit der Fünf-Sterne-Bewegung. Seither regieren die linken „Grillini“ mit den Sozialdemokraten und Salvini arbeitet ohne Unterlass darauf hin, endlich von der Opposition zurück an die Macht zu kommen.
Am Sonntag und Montag könnte der 47-Jährige diesem Ziel einen Schritt näher kommen. In sieben von 20 italienischen Regionen wird gewählt. Vor allem die Toskana steht dabei im Fokus. Seit der Nachkriegszeit war die Region eine Hochburg erst der Kommunisten und später der Sozialisten und Sozialdemokraten. Heute gelten diese Muster nicht mehr. Umfragen zufolge liefern sich Susanna Ceccardi von der Lega und Eugenio Giani, Kandidat der Linken, ein Kopf-an-Kopf-Rennen. „Ich werde als Ministerpräsident zurückkehren“, verspricht Salvini.
Wenn die Toskana fällt, dann rollen auch in Rom politische Köpfe. Vor allem der Chef der Sozialdemokraten, Nicola Zingaretti, würde in Schwierigkeiten geraten. Eng könnte es auch für die Regierung von Premier Giuseppe Conte werden. Die Koalition aus Sternen und Sozialdemokraten hatte sich vor einem Jahr mühevoll gebildet, um Salvinis Sprung an die Macht zu verhindern.
Mitentscheidend wird auch das Ergebnis in den anderen Regionen sein. In Venetien ist von einem Kantersieg des amtierenden und äußerst beliebten Gouverneurs Luca Zaia (Lega) auszugehen. Rechtskoalitionen könnten auch in Ligurien, den Marken, Apulien und im Aostatal gewinnen. Nur Kampanien bleibt wohl sicher beim sozialdemokratischen Partito Democratico. Gouverneur Vincenzo De Luca hat sich während der Pandemie mit Law-and-Order-Manieren zusätzlich Anerkennung verschafft.
Fraglich ist, wie die Rechts-Außen-Partei „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens) abschneidet. Deren Vorsitzende Giorgia Meloni konnte zuletzt viel Boden gutmachen, während die Lega im Vergleich zum Zustimmungs-Boom vor einem Jahr Konsens eingebüßt hat.
51 Millionen Italiener sind am Sonntag und Montag zudem aufgerufen, bei einem Verfassungsreferendum über die Reduzierung der Parlamentarier abzustimmen. Die beiden Parlamentskammern sollen verkleinert werden, der Senat von 315 auf 200 Mandate und das Abgeordnetenhaus von 630 auf 400. Ein entsprechendes Gesetz wurde bereits verabschiedet, nun sollen die Italiener die Kürzungen noch absegnen.
Das Projekt, mit dem zwischen 60 und 100 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden sollen, geht auf eine Initiative der Fünf-Sterne-Bewegung zurück, die sich seit Salvinis Aufstieg im Abwind befindet. Weil das Ansehen der Politik insbesondere in Italien sehr negativ ist, befürworten inzwischen alle großen Parteien und auch die Mehrheit der Italiener das Projekt. Selbst die Sozialdemokraten, die ursprünglich gegen das Gesetz stimmten. Der Koalitionsfrieden mit den Fünf Sternen soll auf diese Weise gewahrt bleiben. Für die „Grillini“ wären die Kürzungen ein politischer Erfolg, den sie bitter nötig haben. JULIUS MÜLLER-MEININGEN