USA beklagen fast 200 000 Corona-Tote

von Redaktion

Donald Trumps schlechtes Krisen-Management dürfte auch bei der Präsidentschaftswahl eine wichtige Rolle spielen

Washington – Es ist eine gewaltige Zahl: In den USA sind inzwischen fast 200 000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Das entspricht einer ausgelöschten Großstadt, etwa der 67-fachen Opferzahl der Terroranschläge vom 11. September 2001. Zehntausende trauern um ihre Lieben.

In die Trauer mischt sich der Zorn über den US-Präsidenten. Das Virus, von Donald Trump immer wieder als „unsichtbarer Feind“ bezeichnet, könnte bei der Wahl am 3. November seine Hoffnung auf eine zweite Amtszeit zunichtemachen. Noch im Januar konnte er sich dank sehr guter Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Börsendaten gute Chancen ausrechnen. Dann kam Corona.

Kritiker werfen Trump vor, dass er kaum Mitgefühl für die Opfer der Pandemie erkennen lasse. Er erklärt, die von ihm verhängten Einreisesperren für Reisende aus China und Europa sowie die übrigen Maßnahmen seiner Regierung hätten „hunderttausende“ Menschenleben gerettet. Doch die Zahl von annähernd 200 000 Todesopfern – gestern waren es mehr als 199 600 – zeigt, dass die Pandemie nicht optimal gemanagt wurde.

In den USA sind laut der Universität Johns Hopkins 60 Menschen pro 100 000 Einwohner nach einer Corona-Infektion gestorben, etwa genauso viel wie in Italien oder Schweden. Hätten die USA die gleiche Sterblichkeitsrate wie das Nachbarland Kanada (25), wären etwa 115 000 Amerikaner noch am Leben.

Trump tat sich mit vielen Tweets und Pressekonferenzen zur Pandemie hervor. Doch statt den Kampf gegen das Virus anzuführen, schien er ihn manchmal zu behindern: Bis Anfang März spielte er die Bedrohung herunter und verglich das Virus mit einer „normalen Grippe“. Den Nutzen von Masken stellt er bis heute infrage. Zeitweise warb er für ein Malaria-Medikament, einmal schlug er das Spritzen von Desinfektionsmittel vor.

Trump ist natürlich nicht allein für den Kampf gegen Corona verantwortlich – auch Gouverneure der Bundesstaaten und Bürgermeister sind in der Pflicht. Doch der Präsident gibt die Richtung vor, seine Worte haben Gewicht. Sein Herausforderer Joe Biden macht Trump persönlich verantwortlich. „Als wir den Präsidenten am meisten gebraucht haben, war er nirgends zu finden“, twitterte Biden. „Das ist unverzeihlich.“

In jüngst veröffentlichten Interviews mit dem Journalisten Bob Woodward räumte Trump ein, die Gefahr absichtlich heruntergespielt zu haben, um keine Panik zu verursachen. Trump wusste bereits Anfang Februar, dass das Virus sich über Luft überträgt und tödlicher ist als eine Grippe. Trotzdem sagte er nichts. Biden nannte das „fast schon kriminell“.

Die Pandemie könnte wahlentscheidend sein: Vor allem für die Angehörigen der Toten, für die fast sieben Millionen Menschen, die positiv getestet wurden, sowie für die etwa 30 Millionen Menschen, die wegen der Wirtschaftskrise eine Form von Arbeitslosenhilfe beziehen, dürfte sie bei der Stimmabgabe eine Rolle spielen. Umfragen zeigen, dass die meisten Wähler Joe Biden eher als Trump zutrauen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.

Trump scheint im Endspurt des Wahlkampfs vor allem auf eine Impfung zu setzen. Fast täglich verspricht er, der Impfstoff werde bald verfügbar sein, zuletzt sprach er von „Mitte Oktober“, rund zwei Wochen vor der Wahl. Experten halten das kaum für möglich. Biden forderte bei CNN: „Wir müssen sicherstellen, dass wir den Menschen in Amerika die Wahrheit erklären.“ JÜRGEN BÄTZ

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