„Nicht lange rumfummeln“

von Redaktion

In seiner Regierungserklärung stellt Wirtschaftsminister Aiwanger Forderungen an den Bund

München – Im letzten Drittel seiner Rede wechselt der Herr Minister kurz ins Bierzelt. Die in Berlin sollten jetzt mal ihre ideologischen Scheuklappen absetzen, ruft er und doziert dann lautstark über moderne Verbrenner und die aus seiner Sicht depperten E-Auto-Gutscheine. Ein paar Kollegen auf der Regierungsbank lächeln zustimmend und auch ein bisschen amüsiert – darunter Markus Söder (CSU).

Corona ändert vieles, aber nicht den Auftrittsmodus von Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Eine knappe Stunde dauert die Regierungserklärung des bayerischen Wirtschaftsministers im Landtag, wie immer spricht er frei und bodenständig pointiert. Es geht um Corona, um wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen von Land und Bund und um die große ernste Frage: Wie gut kommt Bayerns Wirtschaft durch die harte Zeit?

Der ganze Schaden sei noch nicht abzusehen, sagt Aiwanger, und klagt über das bereits Sichtbare: Arbeitsplatzabbau, massiver Exportrückgang, die besonders schwierige Lage einzelner Branchen wie Autoindustrie, Maschinenbau, Gastronomie. Im Grundsatz aber will er eine positive Botschaft senden. Die Wirtschaft sei auf Erholungskurs, sagt er. „Wir haben die Talsohle durchschritten.“

Aiwanger macht das an einzelnen Parametern fest. Während im Frühjahr noch 1,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit waren, seien es jetzt weniger als eine Million. Bayerns Arbeitslosenquote sei mit 4,1 Prozent zwar gut ein Prozent höher als im Vorjahr, aber die niedrigste im Ländervergleich. Auch den Export – im Juli mit 15 Milliarden Euro noch minus zwölf Prozent unter unter dem Vorjahresniveau – sieht Aiwanger wieder anziehen. Besonders mit China laufe es gut.

Markus Söder hört seinem Minister mal mehr, mal weniger aufmerksam zu. Dass es zuletzt öfter mal knarzte zwischen den Koalitionären, ist kein Geheimnis. Aber große Streitthemen – Corona-Lockerungen in der Gastronomie, auch die dritte Startbahn am Flughafen München – sind abgeräumt. Statt neuen Knatsch zu suchen, lot Aiwanger denn auch lieber die Hightech-Agenda, die dem Freistaat jetzt in der Krise helfen könne, verlorene Arbeitsplätze zu kompensieren. „Jammern hilft nicht“, sagt Aiwanger. „Wir müssen anpacken.“ Söder nickt dazu gut sichtbar.

Neue Forderungen an den Koalitionspartner stellt der Niederbayer also nicht, dafür gleich mehrere an den Bund. Um Firmen in der Krise zu helfen, fordert er eine Senkung der Unternehmenssteuer auf höchstens 25 Prozent und die Möglichkeit, finanzielle Verluste bis mindestens ins Jahr 2017 steuerlich verrechnen zu können. Auch die Erbschaftssteuer würde er, neben dem Soli, am liebsten abschaffen. „Ich bin dafür, hier nicht ewig rumzufummeln“, sagt er dann noch. Ob Berlin ihn erhört, ist eine andere Frage.

Aus der Regierungskoalition gibt es für all das viel Applaus, die Opposition ist weniger beeindruckt. Sie habe zu wenig Innovatives gehört, sagt Grünen Fraktionschefin Katharina Schulze. „Die Wirtschaft ist in vielen Bereichen schon viel weiter als diese Regierung.“ FDP-Fraktionschef Martin Hagen spricht gegenüber unserer Zeitung von einem „Potpourri an altbekannten Schlagworten und Positionen“. Neu seien nur die Forderungen an die Bundespolitik gewesen. „Für einen bayerischen Wirtschaftsminister ist das zu wenig.“

MARCUS MÄCKLER

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