Merkel warnt vor Corona-Explosion

von Redaktion

VON J. BLANK, M. MÄCKLER UND C. DEUTSCHLÄNDER

Berlin – Die Kanzlerin wägt ihre Worte sehr vorsichtig. Umso stärker sticht nun eine scharfe Warnung hervor. Ohne ein starkes lokales Gegensteuern, so sagte Angela Merkel am Montag in einer Videokonferenz der CDU-Spitze, „haben wir an Weihnachten 19 200 Infektionen am Tag“. Das wäre dann auf französischem Niveau, ein Kontrollverlust mit wohl überlasteten Kliniken weit über den schlimmsten Zahlen von März und April. Man müsse in Deutschland alles tun, damit die Zahlen nicht exponentiell stiegen.

Die Zahl entstammt einer Hochrechnung, Details will die Regierung nicht nennen. Merkel verbindet ihre Warnung mit dem Rat an die Politik, die richtigen Prioritäten zu setzen. Man müsse die Wirtschaft, Schulen und Kinderbetreuung am Laufen halten, die Frage von Fußballspielen sei zweitrangig. Aus Unionskreisen heißt es, die Kanzlerin äußere sich seit Tagen schon ernsthaft besorgt.

Heute stehen nun die nächsten Corona-Beratungen mit den Ländern an. Per Video werden die Ministerpräsidenten zusammengeschaltet. Dabei gibt es offene Differenzen mit Regierungschefs, die aktuell nur sehr geringe Fallzahlen haben. „In Sachsen-Anhalt verfolgen wir weiter unseren eigenen Weg“, sagt etwa Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Allerdings entstehen auch ungewöhnliche Allianzen: Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU, NRW) sprechen sich für eine Corona-Ampel aus. Notwendig sei ein „einheitliches, verbindliches, verhältnismäßiges und verlässliches Regelwerk“, das in ganz Deutschland gelte, sagte Söder. Bei Überschreiten bestimmter Infektionszahlen würde diese auf Gelb oder Rot springen und Maßnahmen würden in Kraft treten. Im Detail geht es um Tests für Risikogruppen, verschärfte Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen und in der Schule oder weniger Zuschauer in Hallen und Stadien sowie Teilnehmer bei Privatveranstaltungen.

Laschet hatte gesagt, man dürfe nicht nur auf die Zahlen schauen, sondern brauche bundesweit „ein standardisiertes Corona-Monitoring, das die Pandemieentwicklung kommunenscharf abbildet“. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) stimmte zu. Regional brauche man aber Flexibilität. „Wenn in München die Infektionszahlen durch die Decke gehen, brauchen wir in Mainz, Koblenz oder Ludwigshafen keine Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen.“

Eine Beschlussvorlage des Bundes für das heutige Treffen sieht vor, dass Feiern in privaten Räumen auf 25 und in öffentlichen Räumen auf 50 Personen beschränkt werden. Falsche persönliche Angaben in Restaurants sollen mit 50 Euro Bußgeld belegt werden. Auch Alkoholverbote sind denkbar.

Mit einem konkreten Problem kämpfen viele Länder. Zur Kontaktnachverfolgung steht zu wenig Personal zur Verfügung. NDR, WDR und SZ berichten, dass etwa Bayern statt der angestrebten 650 Teams nur 288 vorweisen könne. Im Bedarfsfall, erklärt das Gesundheitsministerium allerdings, könne durch Reservekräfte noch aufgestockt werden, auf knapp unter 650. Einige Länder antworteten ausweichend. Oder gar nicht.

Die Politik wird auch weiterhin nachjustieren müssen. In Bayern könnte dadurch eine Maßnahme fortgeführt werden, die schon auszulaufen schien. Angesichts der Entwicklung etwa in Teilen Österreichs erwägt die Staatsregierung, die Teststationen an den Autobahnen in Grenznähe beizubehalten. Nach der Einstufung Tirols als Risikogebiet hatten sich am Wochenende besonders vor der Raststätte Heuberg (A93) lange Schlangen gebildet. Am 8. September hatte das Kabinett das Aus für die Teststationen beschlossen. Letzter Tag sollte ursprünglich morgen sein.

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