Washington/Harrisburg – Vor vier Jahren schien das Bild in Pennsylvania ganz klar. Wer den US-Bundesstaat bereiste, konnte bereits an Indizien ablesen, wie in dem so wichtigen „Swing State“ die Präsidentschaftswahl ausgehen würde. Freiwillige aus dem Trump-Lager machten sich um sieben Uhr früh täglich auf den Weg, um in der vom Strukturwandel schwer getroffenen Region an Haustüren für den Republikaner zu werben. Tausende von Trump-Schildern prägten das Straßenbild in den früheren Stahlindustrie-Hochburgen Pittsburgh, Mechanicsburg und Harrisburg. Hillary Clinton? Die Demokratin sprach, an den Vorsprung in den Umfragen glaubend, nur auf wenigen Veranstaltungen. Wer als Clinton-Fan ein Schild in seinem Vorgarten aufstellen wollte, musste dafür zudem noch bezahlen, während Trump nichts berechnete.
Am Ende gewann Trump in Pennsylvania mit einem Plus von 44 292 Stimmen – und sicherte sich damit auch die 20 Wahlmänner des Staates im Mittleren Westen. Der Blick zurück zeigt, welch enorme Bedeutung auch dieses Jahr Pennsylvania und anderen „Swing States“ wie Wisconsin oder Michigan zukommt, in denen viele Wähler mal demokratisch, mal republikanisch abstimmen. Und Clintons Kardinalfehler von 2016 will Joe Biden in diesem Jahr unbedingt vermeiden. Das führt dazu, dass sich sowohl der Demokrat wie auch Trump dort derzeit die Klinken in die Hand geben.
Der Präsident setzt dabei, das zeigen seine Auftritte, auf brutale Schonungslosigkeit, die ihn auch 2016 an die Macht katapultierte. „Mein Gegner ist gegen Öl, Schusswaffen und Gott“, predigte Trump diese Woche in Moon Township in Pennsylvania vor Menschen mit ihren knallroten „Make America great again“-Schirmmützen. Ein Slogan, den er auch andernorts stets wiederholt.
Das sind die aufputschenden Worte, die seine Fans – vor allem die sogenannten „Blue collar“-Arbeiter der konservativen bibelfesten Mittelschicht – verstehen. Sie alle buhen unisono, als er davor warnt, die Demokraten würden das Land in einen Staat von sozialistischer oder kommunistischer Prägung verwandeln.
Hier, in den ländlichen Regionen von Pennsylvania mit einem Anteil von 80 Prozent Weißen, werden Nationalismus und Pathos groß geschrieben. Sogar der Titel der Tageszeitung von Harrisburg heißt „Patriot News“. Trump verkündet: Wenn er Präsident bleibe, werde er sich weiter massiv für Kohle und das umstrittene „Fracking“ zur Gasförderung einsetzen.
Diese Parolen nach der Devise „Jobs um jeden Preis“ gelten auch für die Bundesstaaten Michigan und Wisconsin, wo sich Hillary Clinton in 2016 ebenfalls fälschlich sicher gefühlt hatte. Kurz vor der Wahl hatte sie in Wisconsin noch mit 6,5 Prozent in als seriös geltenden Umfragen geführt. Sie reduzierte persönliche Auftritte in Wisconsin – ein enormer Fehler. Am Ende lag der Außenseiter Trump 0,7 Punkte vorn.
Umfragen, die Joe Biden deutlich vorn sehen, sind trügerisch. Sie leiden auch unter einem bekannten Phänomen: Nicht alle Trump-Anhänger trauen sich, am Telefon oder an der Haustür ihre Vorliebe einzugestehen. Trump verstärkt nun auch seine Auftritte in den „Swing States“, trotz Corona-Pandemie. Am Dienstagabend standen tausende Fans in Pennsylvania wieder eng an eng, nicht jeder trug eine Maske. Joe Biden nahm sich hingegen einen freien Tag. Sein Vorsprung im Bundesstaat ist von 6,4 Prozent im August auf mittlerweile knapp über vier Prozent gesunken.
Am Wahlabend dürfte es in Pennsylvania erneut eine Zitterpartie mit ungewissem Ausgang geben. Hinzu kommt, dass mit dem Auszählen der Briefwahl-Stimmzettel erst am Wahltag begonnen werden darf – gibt es tagelange Verzögerungen?
Auch in Michigan erwarten die Verantwortlichen einen Tsunami an per Post geschickten Wahlzetteln. Wahlleiterin Jocelyn Benson, eine Demokratin, warnte bereits: Es werde wohl tagelang kein Endergebnis geben. Auch hier könnte es für Trump und Biden ganz eng werden. 2016 führte Clinton in den Umfragen bis kurz vor der Wahl mit über fünf Prozent und blies zahlreiche Veranstaltungen vor Ort ab. Doch als abgerechnet wurde, hatte Trump einen Vorsprung von 0,23 Punkten – 10 704 Stimmen gaben hier den Ausschlag. Die Republikaner profitierten Analysen zufolge von einem Schwenk in der weißen Arbeiterklasse Michigans, die zuvor überwiegend für Demokraten gestimmt hatte, aber von der Job-Politik Obamas enttäuscht war. Umfragen zeigen derzeit, dass der Präsident mit fünf Punkten hinter Biden zurückliegt – genau die Quote, die er vor vier Jahren im letzten Moment noch wettmachen konnte.