So will Spahn die Pflege reformieren

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

Berlin – Man kann von ihm halten, was man will – mangelnden Fleiß wird dem Gesundheitsminister niemand unterstellen wollen. Mitten im Corona-Herbst legt Jens Spahn (CDU) ein Konzept zur Reform des Dauerbrenners Pflege vor. Es ist sechs Milliarden Euro schwer und soll zweierlei erreichen: die Pflegekosten für Betroffene und Angehörige senken – und für gerechte Löhne sorgen.

Wichtigster Punkt: Der Eigenanteil für die Heimkosten soll gedeckelt werden. Heimbewohner sollten für die stationäre Pflege maximal 700 Euro pro Monat zahlen, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“ – und das auch nur längstens 36 Monate lang. Das sind maximal 25 200 Euro.

Derzeit müssen Bewohner im Schnitt rund 2000 Euro monatlich selbst aufbringen, wovon 786 Euro auf den Eigenanteil entfallen, 774 Euro auf Unterkunft und Verpflegung und 455 Euro auf Investitionskosten. Wie viel die Versicherung übernimmt, hängt vom Pflegegrad ab. Für vollstationäre Pflege bei Pflegegrad schießt sie 125 Euro im Monat zu, im Pflegegrad zwei 770 Euro. Die Staffelung reicht bis Pflegegrad fünf, in dem die Kasse 2005 Euro zahlt. In der Regel reicht das nicht aus, um Aufwendungen des Heims abzudecken.

Spahn begründet den Pflege-Deckel mit gestiegenen Kosten. Seit 2017 sei der monatliche Eigenanteil für die stationäre Pflege um durchschnittlich 238 Euro gestiegen. Dies werde „für immer mehr Familien zum Problem“. Auf den Maximalbetrag von 25 200 Euro könne sich jeder vorbereiten und das auch über eine private Pflegevorsorge absichern.

In Bayern ist die durchschnittliche finanzielle Belastung in den letzten beiden Jahren sogar um 252 Euro gestiegen – von 1766 Euro auf 2018 Euro monatlich. Wer auch die 700 Euro im Monat nicht aufbringen kann, für den „springt wie bisher die Sozialhilfe ein“, so Spahn.

Kinder und Angehörige dürfen zwar seit Januar 2020 von den Sozialämtern nur noch dann für den Unterhalt der Eltern zur Kasse gebeten werden, wenn ihr Einkommen über 100 000 Euro brutto im Jahr liegt. Es gibt aber keine Zahlen, wie viele Angehörige Geld zuschießen, um dem Bewohner den Gang zum Sozialamt zu ersparen.

Spahn will zudem alle Pflegeheime zwingen, ihre Angestellten besser zu entlohnen. Nach seinen Plänen soll für die Abrechnung von Leistungen mit der Pflegeversicherung Voraussetzung werden, dass Pflegeheime oder -dienste Mitarbeiter nach Tarif bezahlen. Grundlage könne ein Haus- oder ein Branchentarifvertrag sein. 2018 hätten nur 40 Prozent der Heime ihre Angestellten nach Tarif bezahlt, bei den ambulanten Diensten seien es 26 Prozent. Finanziert werden soll das alles aus Steuermitteln.

Der Koalitionspartner SPD reagiert skeptisch. So forderte Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider, den Eigenanteil von Verdienst und Vermögen der Bedürftigen abhängig zu machen. Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisiert den Wegfall des Eigenanteils nach drei Jahren. „Tatsache ist, dass ein Drittel der Heimbewohner nach drei Monaten und 60 Prozent nach 12 Monaten tot sind. Es gibt kaum Pflegebedürftige, die drei Jahre im Heim leben.“

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