München – Die Aufregung war schon vor einem halben Jahr groß: Da versprach Hubertus Heil (SPD), ein „Recht auf Homeoffice“ durchzusetzen. Jetzt hat der Bundesarbeitsminister sein neues „Mobile Arbeit Gesetz“ geliefert: Arbeitnehmer sollen demnach mindestens 24 Tage im Jahr zuhause arbeiten dürfen, sofern keine nachvollziehbaren Gründe dagegen sprechen. Das stößt auf Kritik: bei den Koalitionspartnern, in der Wirtschaft – und auch bei vielen Arbeitgebern, die lieber flexible Lösungen hätten.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) will die „unternehmerische Entscheidungsfreiheit“ schützen. „Eine bestimmte Zahl an Tagen im Homeoffice gesetzlich festzuschreiben, ist willkürlich und geht an den Bedürfnissen sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern vorbei“, sagt vbw-Chef Bertram Brossardt. Man müsse – vor allem in der Corona-Krise – „zusätzliche Belastungen und bürokratische Hürden“ für die Unternehmen vermeiden. Viele Betriebe hätten bereits flexible und freiwillige Lösungen zur Gestaltung des Homeoffice gefunden, sagt Brossardt.
Das ist zum Beispiel bei BMW der Fall. In dem Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) im Münchner Norden, der Denkfabrik des Autoriesen, gehörte mobiles Arbeiten schon lange zum Alltag. „BMW-Mitarbeiter können schon seit 2013 tage- oder auch stundenweise mobil arbeiten“, sagt Sprecherin Martina Hatzel. „Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit dazu, gezwungen wird niemand. Damit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren.“ Einen gesetzlichen Anspruch aufs Homeoffice lehnt BMW ab, so Hatzel.
Bei Scout24, einem Betreiber mehrerer Online-Marktplätze, läuft es ähnlich: In dem Münchner Unternehmen können Mitarbeiter flexibel entscheiden, ob sie im Büro oder zuhause arbeiten möchten, sagt Theresa Krohn von Scout24. Man müsse sich sogar eher abstimmen, wenn Angestellte ins Büro kommen wollen – denn für die Abstandsregelungen darf nur die Hälfte der Arbeitsplätze besetzt sein. „Mit diesem Modell haben wir bislang sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt sie. „Wir sehen keine Notwendigkeit für einen gesetzlichen Anspruch.“
Auch die Mitarbeiter des Energiekonzerns Eon haben sich bereits an das Arbeiten am heimischen Schreibtisch gewöhnt. „Wir erleben täglich, dass eine effiziente Zusammenarbeit auch per Videokonferenz und mit der vermehrten Nutzung digitaler Tools möglich ist“, sagt Stefan Moriße von Eon. Viele Teams seien in der Krise kreativ geworden, um den Kontakt zwischen den Kollegen zu halten – so hätten sich zum Beispiel virtuelle Kaffeerunden etabliert. Dazu gebe es regelmäßig Online-Workshops und -Schulungen. „Unsere Erfahrung aus der Corona-Zeit bisher zeigt, dass diese Vielfalt am besten durch die Betriebsparteien vor Ort beurteilt werden kann“, sagt Moriße. „Eine gesetzliche Regelung kann das nicht für alle Unternehmen leisten.“
Bei Siemens begrüßt man zumindest, dass sich die Politik mit dem Thema beschäftigt, sagt eine Sprecherin. „Der Trend geht ja eindeutig zum Homeoffice. Ich weiß nur nicht, ob dafür eine gesetzliche Regelung notwendig ist. Es gibt viele Tätigkeiten, die ortsgebunden sind.“ Der Konzern bastle bereits selbst an einer Vereinbarung zum mobilen Arbeiten.
Lob gibt es dafür vom Beamtenbund (dbb). „Es ist gut, dass die Bundesregierung sich daran macht, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen“, sagt dbb-Vizechef Volker Geyer. „Voraussetzung ist allerdings die Freiwilligkeit.“ Homeoffice dürfte keine Verpflichtung werden. Und: „Auf keinen Fall darf es durch das mobile Arbeiten zu einer stärkeren Entgrenzung von Arbeit und Freizeit kommen“, mahnt Geyer. KATHRIN BRAUN