Als wäre nichts gewesen

von Redaktion

VON STEFAN REICH

Washington – Die Rückkehr ins Weiße Haus war eine Inszenierung der eigenen Stärke und Gesundheit. Die Fernsehbilder zeigten einen US-Präsidenten, der aus eigener Kraft vom Hubschrauber zum Südeingang lief, die Treppe erklomm, auf dem Balkon die Maske abnahm und der Besatzung des wieder abfliegenden Hubschraubers salutierte. Dass Donald Trump offenbar außer Puste war, zeigten die Bilder bei genauerem Hinsehen aber auch. Der tatsächliche Zustand des prominentesten Corona-Patienten der USA ist derzeit aber ein Rätsel.

Trump hatte seine Entlassung aus dem Walter-Reed-Krankenhaus in einem Vorort von Washington am Montag selbst auf Twitter verkündet und behauptet, er fühle sich besser als vor 20 Jahren. Sein Leibarzt Sean Conley sagte am Dienstag, Trump zeige keine Symptome mehr. Trump benötige derzeit nichts, wofür er im Krankenhaus bleiben müsse. „Wenn wir durch das Wochenende bis zum Montag kommen und sein Zustand genauso bleibt oder sich verbessert, dann können wir alle schließlich erleichtert aufatmen.“

Am Kurs, die Gefahren der Corona-Pandemie kleinzureden, hält Trump weiter fest. Nach dem dreitägigen Klinik-Aufenthalt rief er die Amerikaner am Montag in einer Videobotschaft ungeachtet der mehr als 210 000 Toten in den USA auf, ihr Leben nicht vom Virus dominieren zu lassen. „Habt keine Angst davor. Ihr werdet es besiegen.“

Drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hält der Präsident weiterhin nicht für nötig. Mancherorts sei Covid-19 weniger tödlich als die Grippe, an der trotz Impfung in manchen Jahren mehr als 100 000 Menschen sterben würden, erklärte Trump am Dienstag auf Twitter. Den Beitrag versah der Kurznachrichtendienst-Anbieter umgehend mit einer Warnung nach seinen Regularien für irreführende und potenziell schädliche Informationen. Trump selbst hatte noch im Februar im Gespräch mit dem Journalisten Bob Woodward die Ansicht vertreten, Covid-19 sei „tödlicher“ als eine schwere Grippe, die pro Jahr 25 000 bis 30 000 Amerikaner das Leben koste.

Verhandlungen mit den Demokraten über ein weiteres Hilfspaket für die US-Wirtschaft erteilte Trump am Dienstag per Twitter eine Absage. Das werde es erst nach seiner Wiederwahl geben. Die Aktienkurse an der Börse in New York gaben sofort nach.

Auch an seiner Abneigung gegen das Tragen einer Maske ändert Trumps Gesundheitszustand offenbar wenig. Dabei dürfte er noch ansteckend sein und müsste nach Vorgaben von Gesundheitsbehörden somit Maske tragen. Er nahm sie aber ab, während Kameraleute des Weißen Hauses in seiner Nähe waren. Die hielten Trumps Rückkehr in eigenen Bildern fest, die sie später mit dramatischer Musik unterlegt veröffentlichten.

Nach Bekanntwerden seiner Diagnose am Freitag wurde Trump unter anderem mit einem experimentellen Antikörper-Mittel behandelt. Der renommierte Immunologe Anthony Fauci sagte dazu: „Ich habe einen starken Verdacht, dass ihm das geholfen hat.“ Das Mittel war von der Biotech-Firma Regeneron auf Anfrage der Präsidenten-Ärzte bereitgestellt worden. Es wird für gewöhnliche Patienten noch lange nicht verfügbar sein. Aufgrund eines Sauerstoffabfalls im Blut bekam Trump auch das Steroid Dexamethason. Zudem wurde er mit Remdesivir behandelt.

Virologen sagen, Trumps tatsächlicher Krankheitsverlauf lasse sich schwer beurteilen, solange nicht bekannt sei, wann er sich infiziert habe. Wann genau die Infektion festgestellt wurde und wann Trump zuletzt negativ getestet worden war, ist bislang nicht bekannt. In der Liste der angewandten Medikamente sehen Experten aber Hinweise auf einen schweren Krankheitsverlauf. Trump verkündete derweil auf Twitter, er werde seinen Wahlkampf bald wieder fortsetzen. Er freue sich auf die zweite TV-Debatte mit Joe Biden am 15. Oktober.

Trump ist nicht der einzige Corona-Fall im Weißen Haus. Nach einer Veranstaltung wurden kürzlich mehrere Personen positiv getestet. Zudem steckten sich Trumps Wahlkampfmanager Bill Stepien und seine Sprecherin Kayleigh McEnany an. mit dpa

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