Grippe: Wird der Impfstoff knapp?

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Es ist einer der Termine, bei denen sich Markus Söder (53, CSU) besonders locker präsentiert. Poloshirt statt Hemd, die Hände in den Hosentaschen, dazu ein frecher Spruch. „Ich spüre die Unsicherheit beim OB“, sagt der Ministerpräsident und grinst Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (62, SPD) an. Dann pikst Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) die Nadel in Söders Arm. So macht es die Ärztin schon seit Jahren für ihn. Für Reiter ist das die erste Grippe-Impfung.

Der Auftritt vor den Kameras ist ein Aufruf an die Menschen in Bayern. Gerade in Corona-Zeiten sei die Impfung besonders sinnvoll, sagt Söder. Reiter bekräftigt: „Es war noch nie so wichtig wie jetzt, sich impfen zu lassen.“ Die Krankenhäuser dürften neben den steigenden Corona-Zahlen nicht noch durch eine große Grippewelle belastet werden. „Je mehr Menschen sich gegen Grippe impfen lassen, desto besser“, sagt auch Melanie Huml.

Stellt sich nur die Frage: Ist Bayern dafür überhaupt gerüstet? 550 000 Extra-Impfdosen habe man im Freistaat besorgt, sagt Huml. „Damit können wir rund ein Drittel mehr Impfungen garantieren, als in den vergangenen Jahren durchschnittlich nachgefragt worden sind.“ In den vergangenen Jahren seien es pro Saison rund 1,5 Millionen Impfdosen gewesen.

Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, ist skeptisch. „Ich habe die Sorge, dass der Impfstoff nicht reichen wird“, sagt er unserer Zeitung. „Ich merke es in der eigenen Praxis und höre es auch von anderen Arztpraxen“, erzählt er. „Momentan lassen sich deutlich mehr Menschen impfen als im vergangenen Jahr. Dazu gehören auch viele, die nicht zur Risikogruppe zählen.“

Aktuell gebe es beim Großhandel schon Wartelisten für Impfstoff-Nachbestellungen. „Noch kann man nicht von einem Engpass sprechen“, sagt Quitterer. Das wäre erst der Fall, wenn Vorbestellungen nicht bearbeitet werden können – was sich womöglich in den nächsten Tagen abzeichnen werde. Wichtig sei jetzt, dass Risikogruppen auf keinen Fall außen vor gelassen werden. Aber er sagt auch: „Ich will niemanden wegschicken, der geimpft werden möchte.“

Einen generellen Aufruf zur Grippe-Impfung sieht Karlheinz Zeilberger, Internist aus München, kritisch. „Für unsere Privatversicherten müssen wir schon im Frühjahr Impfdosen bestellen“, erzählt er. „Wir haben extra rund 20 Prozent mehr bestellt.“ Im Juli sei aber schon klar gewesen, dass das nicht reicht. „Es haben sich im Sommer mehr Menschen auf die Warteliste gesetzt, als wir für den gesamten Winter eingeplant haben“, sagt Zeilberger. 70 Prozent der gesamten Lieferung habe seine Praxis allein schon im September verbraucht. „Zum Glück haben wir kurzfristig noch eine Lieferung bekommen. Trotzdem haben wir jetzt unsere Liste nach Alter, Vorerkrankung und Berufsgruppen priorisiert.“

Das entspricht auch der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) des RKI: In erster Linie sollten Risikogruppen geimpft werden, heißt es. In den vergangenen Jahren hätten sich nur 35 Prozent der über 60-Jährigen impfen lassen. Das sei „völlig unzureichend“. Bundesweit seien für die kommende Saison etwa 25 Millionen Dosen Influenza-Impfstoff verfügbar. Senioren, Pflegeheimbewohner, Menschen mit chronischen Grundleiden, Schwangere und Gesundheitspersonal – allein für diese Personengruppen wären rund 40 Millionen Dosen Impfstoff notwendig. „Durch eine Ausweitung der Impfempfehlung auf die gesamte Bevölkerung könnte es zu einer Unterversorgung der Risikogruppen kommen“, so die STIKO.

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