München – Der Landtag erlebt einen kurzen peinlichen Moment, als der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl ans Pult tritt. „Wer kennt die aktuellen Infektionsschutzregeln in Bayern“, fragt er in die Runde. Im Plenum, von der Frage überrascht, rührt sich nur wenig. „Des hob i mir denkt“, spottet Schuberl.
Repräsentativ ist das nicht, passt dem Grünen aber gerade gut ins Bild. Seine Fraktion legt den Abgeordneten einen Gesetzentwurf vor, wie sie sich mehr Macht und Mitsprache in der Corona-Politik sichern können. Ein Corona-Maßnahmen-Gesetz, im Amtsdeutsch „BayCorMaG“, soll alle Infektionsschutzregeln bündeln. Der Vorstoß findet allerdings erwartungsgemäß keine Unterstützer und wird aussichtslos in die Ausschüsse verwiesen. Die Landtagsmehrheit will, das zeigt dieser Donnerstag im Parlament, in die Entscheidungsgewalt der Staatsregierung nicht eingreifen, zumindest nicht so. Nicht mal die SPD trägt Schuberls Gesetz mit. Die Richtung stimme, man habe aber verfassungsrechtlich große Bedenken.
Eigentlich ist Bayerns Politik seit März in einer Schieflage. Der Freistaat erlebt die tiefste Krise der Nachkriegsgeschichte, der Landtag hat aber so wenig Mitsprache wie noch nie. Im Eilverfahren trifft die Staatsregierung alle wichtigen Corona-Entscheidungen per Verordnung, jede Woche neu im Ministerrat. Der Landtag setzt lediglich einen groben Finanzrahmen mit bis zu 20 Milliarden Euro Mehrausgaben. Erst im Nachgang erläutern die Minister ihre Entscheidungen. Das ist primär dem Tempo der Krise geschuldet: Corona-Zahlen und Regeln ändern sich schneller, als der Landtag zusammentreten und Gesetze anschieben kann.
Der Vorstoß der Grünen ist nicht der erste, der scheitert. Dieses Schicksal erlebte auch schon ein Parlaments-Beteiligungs-Gesetz, das die FDP entworfen hatte. Der Tag im Maximilianeum zeigt allerdings: Die Debatte wird schärfer. Freie-Wähler-Fraktionsgeschäftsführer Fabian Mehring verspottet den grünen Plan als „Bauchlandung“. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) bescheinigt Schuberl einen „erschreckend arroganten und süffisanten Auftritt“ voll „politischem Popanz“. Auch er argumentiert mit Zeitdruck: „Das Virus gibt uns keine Zeit. Es orientiert sich nicht am Sitzungsplan des Landtags.“
Mittelfristig dürfte die Machtprobe zwischen Landtag und Regierung weitergehen. Bei näherem Hinhören knirscht es nämlich auch in der Koalition. Die Freien Wähler fordern selbst mehr Landtags-Macht und mindestens eine Corona-Kommission, die sich mit allen Details der Entscheidungen kritisch auseinandersetzt und eigenständig Experten anhört. Die CSU ist bisher nur zu einem Kompromiss bereit: eine Art „Runden Tisch“, nicht im Landtag angesiedelt, sondern eher ein Beraterkreis für Ministerpräsident Söder.
Vorerst hält dieser Kompromiss. CSU und Freie Wähler setzen gemeinsam einen unverbindlichen „Dringlichkeitsantrag“ durch, wonach der Landtag die Ankündigung eines Runden Tisches begrüße und mit ihm zusammenarbeiten wolle. Die Opposition hält vor allem dem Freien Wähler Mehring minutenlang genüsslich frühere Äußerungen vor, in denen er wortgewaltig mehr Einfluss für den Landtag gefordert hatte. „Als Tiger gesprungen, als Söders Bettvorleger gelandet“, stichelt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze urteilt, die Freien Wähler praktizierten „Selbstverzwergung“. cd