Ein Duell lang Verschnaufpause

von Redaktion

VON LENA KLIMKEIT

Salt Lake City – Die schwarze Fliege landet auf dem Silberhaar, als hätte sie ein Magnet angezogen. Plötzlich ist sie da – und fliegt auch erst mal nicht wieder weg. US-Vizepräsident Mike Pence sprach gerade von einer „großen Beleidigung“ und macht eine rhetorische Pause. Von der Fliege scheint er keine Notiz zu nehmen – anders als zahlreiche Zuschauer und Kommentatoren der einzigen TV-Debatte zwischen Pence und der demokratischen Vize-Kandidatin Kamala Harris vor der US-Wahl am 3. November. Die Aufmerksamkeit für die Fliege zeugt davon, wie unaufgeregt das Duell am Mittwochabend war.

Dabei trafen Harris und Pence in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah zu einem Zeitpunkt aufeinander, an dem das Wahljahr 2020 komplett aus den Fugen geraten zu sein scheint. Wenige Stunden zuvor hatte US-Präsident Donald Trump im Garten des Weißen Hauses verkündet, durch „Gottes Segen“ ein Heilmittel gegen das Coronavirus entdeckt zu haben, mit dem er sich zuvor infiziert hatte. Nach Bekanntwerden seines positiven Tests am Freitag und dem kurzen Krankenhausaufenthalt ist die TV-Debatte zwischen Trump und seinem Herausforderer Joe Biden beinahe in Vergessenheit geraten, die vergangene Woche im Chaos versunken war.

Als Harris und Pence am Mittwoch auf der Bühne saßen, kam die Erinnerung zurück. Die Ereignisse der vergangenen Tage haben die beiden entzweit: Wegen der Sorge vor weiteren Ansteckungen trennten sie ein mehr als 3,5 Meter großer Sicherheitsabstand und Plexiglasscheiben. Die beiden Politiker stritten, aber sie stießen nicht in einer Tour aneinander. Wenn Pence redete, kommentierte Harris seine Aussagen mal mit mitleidigem Lächeln, hochgezogener Augenbraue oder Kopfschütteln, statt ihm ins Wort zu fallen. Wenn er es tat, sagte sie: „Mr. Vizepräsident, jetzt rede ich.“ Und Harris – die der Präsident später als lügendes „Monster“ verunglimpfte – nutzte gleich den Beginn, um ihre entscheidende Botschaft zu senden: „Das amerikanische Volk ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden“, sagte sie mit Blick auf die Corona-Krise und die mehr als 210 000 Toten und mehr als 7,5 Millionen Infektionen. Allerdings verpasste sie an anderen Stellen die Möglichkeit, ihrer Botschaft Nachdruck zu verleihen.

Pence für seinen Teil ignorierte mehrfach die Fragen der Moderatorin und platzierte stattdessen die Botschaften, die er anbringen wollte. Er verteidigte Trumps Regierung nicht nur, er machte auch deutlich, dass es mit ihm dieselbe Politik gäbe – nur ohne die Aufregung.

Waren die Vize-Debatten in der Vergangenheit eher Nebenschauplatz auf der Zielgeraden zur Wahl, wurde der diesjährigen mehr Bedeutung denn je zugemessen. Der 77-jährige Biden und Amtsinhaber Trump (74) sind die ältesten Präsidentschaftskandidaten der US-Geschichte. Die mögliche Machtübergabe an den Vizepräsidenten ist kein abwegiges Szenario.

Wie es zwischen Trump und Biden weitergeht, ist derweil unklar. Eigentlich sollte ihr nächstes Duell am Donnerstagabend kommende Woche stattfinden. Doch Trump will wegen einer Änderung des Formats nicht teilnehmen. Die zuständige unabhängige Kommission CPD hat angekündigt, die Debatte werde aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht als persönliches Gegenüber stattfinden. Die beiden Kandidaten sollten demnach an unterschiedlichen Orten auftreten und online zusammengeschaltet werden. Trump will stattdessen, dass die Debatte einfach eine Woche später stattfindet – von Angesicht zu Angesicht.

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