München/Berlin – Sie hat inzwischen schon sehr viel Übung mit diesen Corona-Auftritten, deshalb gehen der Kanzlerin die aufrüttelnden Sätze auch locker von den Lippen. „Jetzt sind die Tage und Wochen, die entscheiden, wie Deutschland im Winter in dieser Pandemie dasteht“, sagt sie. Es gehe nun um „Achtsamkeit und Zusammenhalt“, die Feiern, der Spaß, das alles komme zurück, aber nicht jetzt. Eine gute Nachricht schickt sie noch hinterher. Die Zahlen stiegen. „Aber wir sind alles andere als ohnmächtig dagegen.“
In ihrer Video-Schalte mit elf deutschen Oberbürgermeistern ging es deshalb kurz zuvor zur Sache. An der Konferenz nahmen die Rathaus-Chefs von Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart teil. Täglich wächst die Zahl neuer Infektionen – besonders in Ballungsregionen. Merkel und die Stadtoberhäupter beschlossen deshalb, dass spätestens wenn der Wert auf 50 Infektionen pro 100 000 steigt, die Städte umfangreiche Beschränkungen einführen sollen.
Dazu gehört etwa die Erweiterung der Maskenpflicht auf den öffentlichen Raum, wenn dort der nötige Abstand nicht eingehalten werden kann. Genannt werden auch Sperrstunden und Alkoholbeschränkungen für Gastronomiebetriebe sowie weitergehende Beschränkungen der Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen und privaten Feiern. So sollen die Metropolen ihre Ordnungsämter so entlasten, dass diese die Beschränkungen kontrollieren können, hieß es am Freitag.
Dazu kommt: Bund und Länder sollen kurzfristig beraten, wie die Bundespolizei und die Länderpolizeien helfen können. Kommt der Anstieg der Infektionszahlen nicht spätestens nach zehn Tagen zum Stillstand, seien weitere Beschränkungsschritte unvermeidlich. Und: Die Bundeswehr und das Robert-Koch-Institut sollen künftig auf Wunsch Experten in Corona-Hotspots schicken. Das gilt laut der am Freitag getroffenen Vereinbarung, wenn in sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner registriert wurden.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) spricht von einem „guten, sehr konstruktiven Austausch“ mit der Kanzlerin. Im Grunde handele es sich bei dem Maßnahmenkatalog um Dinge, „die in München bereits gelten und der aktuellen Situation angepasst werden, wie beispielsweise die Begrenzung der Gästezahl bei privaten Feiern, in der Gastronomie oder bei Sportveranstaltungen“. Eine breite Akzeptanz sei nur dann zu erreichen, „wenn die Maßnahmen nachvollziehbar sind und überall in der Bundesrepublik bei vergleichbarer Situation gelten und angewendet werden“, erklärt Reiter.
München hatte bereits vor drei Wochen eine erweiterte Maskenpflicht für die Fußgängerzone angeordnet, nachdem die Zahl der Neuinfektionen binnen sieben Tagen über 50 pro 100 000 Einwohner gestiegen war. Auch die Kontaktbeschränkungen wurden damals verschärft. Vergangene Woche gab es dann wieder Lockerungen, weil der Wert unter 35 sank. In den vergangenen Tagen stieg er erneut an, am Freitag sprunghaft auf 42,4. In Berlin, Frankfurt und weiteren Städten wie Bremen hat die 7-Tage-Inzidenz den kritischen 50er-Wert überschritten.
Merkel räumte ein: „Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Einschränkungen, die jetzt nötig sind, wehtun.“ Es sei aber wichtig zu verhindern, dass das öffentliche Leben, Schulen und Wirtschaft nochmals so zurückgefahren werden wie im Frühjahr. mit dpa