Halle gedenkt der Anschlagsopfer

von Redaktion

Hunderte schweigen gemeinsam – Verfassungsschutzpräsident warnt vor „steil ansteigendem Antisemitismus“

Halle – Ein Jahr nach dem rechtsextremen und antisemitischen Terroranschlag von Halle wird mit zahlreichen Veranstaltungen und Gesten der Opfer gedacht. Auf dem Marktplatz der Stadt versammelten sich am Freitagmittag Hunderte Menschen und hielten von 12.01 Uhr an schweigend inne. Viele hielten sich an den Händen oder hatten Tränen in den Augen. Zeitgleich läuteten die Kirchenglocken in der Stadt. Damit erinnerte Halle an den Zeitpunkt, an dem am 9. Oktober 2019 der Anschlag begann.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kam nach Halle, zudem der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), um Gedenktafeln an den Tatorten enthüllen.

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand sagte, dass der Anschlag eine Wunde geschlagen habe, die als Narbe bleibe. „Diese Narbe sollten wir nicht verstecken: Sie mahnt uns, erinnert uns daran, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist“, so der parteilose Stadtchef.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, warnte vor einem „steil ansteigenden Antisemitismus in Deutschland“. „Gerade in den vergangenen zwei Jahren haben Straftaten, auch Gewalttaten, gegen Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland erheblich zugenommen“, sagte Haldenwang dem „Tagesspiegel“. Antisemitismus habe es in Deutschland immer gegeben, aber nicht so offen, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dem Sender Phoenix.

Vor einem Jahr hatte ein schwer bewaffneter Attentäter versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge in Halle einzudringen. Als ihm das nicht gelang, erschoss er davor eine Passantin (40) und in einem nahen Döner-Imbiss einen Gast (20). Auf der Flucht verletzte er zahlreiche weitere Menschen, ehe er von der Polizei gefasst wurde. Der 28 Jahre alte Deutsche Stephan Balliet hat die Taten eingeräumt, der Prozess gegen ihn läuft vor dem Oberlandesgericht Naumburg – wegen zweifachen Mordes und 86-fachen versuchten Mordes.

Bayern verstärkt unterdessen den Schutz jüdischer Einrichtungen. Seit Herbst 2019 stellte der Freistaat rund sechs Millionen Euro für technische Sicherheitsmaßnahmen bereitgestellt. „Unser nach dem schrecklichen Anschlag auf die Synagoge in Halle praktiziertes Schutzkonzept greift. Unser Ziel ist, die jüdische Bevölkerung bestmöglich zu schützen“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Insgesamt umfasst das Programm acht Millionen Euro. Im Freistaat gibt es demnach rund 200 jüdische Einrichtungen.

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