Wie die Politik Partys stoppen will

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Es ist schon hell, als die Polizei am Münchner Schlachthof einzelne Feiernde abführt. Auf dem Gelände liegen Flaschen, Bierkästen, Spraydosen – die Überreste eines illegalen Techno-Raves. Ein Anwohner hat die Beamten gerufen und von bis zu 150 Gästen gesprochen. Als die Polizisten in den frühen Morgenstunden anrücken, treffen sie auf 25 Menschen, die ohne Mundschutz und Abstand feiern. Sie erwartet jetzt eine Anzeige. Der Rest hat womöglich noch rechtzeitig das Weite gesucht.

Es sind solche Szenen, die bundesweit Unruhe verbreiten. Erst in der Nacht zuvor haben Polizisten in Trier eine Feier mit 100 Leuten aufgelöst. Auch die habe „unter Missachtung jeglicher Vorsichtsmaßnahmen“ stattgefunden, heißt es von der Polizei in Rheinland-Pfalz. Das Problem beschränkt sich aber nicht nur auf illegale Partys: Auf Sylt befürchtet man nun ein Superspreader-Ereignis, nachdem bis zu 100 Leute in einer Bar gefeiert haben – unter ihnen ein Infizierter.

Mit dem Blick auf die steigenden Fallzahlen, vor allem in großen Städten, richten sich die Appelle aus der Politik immer mehr an junge Leute: Regierungschefs rufen zum Party-Verzicht auf, Städte verschärfen die Regeln für private und öffentliche Feiern. Konkret geht es da um Alkoholverbote, Gäste-Obergrenzen, eventuell auch Sperrstunden. Maßnahmen, die ab dem Alarmwert von 50 Infektionen pro 100 000 Menschen greifen sollen. Vielerorts musste man bereits reagieren, um Kontrollverluste zu vermeiden. In Köln etwa darf man abends ab 22 Uhr keinen Alkohol mehr draußen trinken; an Wochenenden gilt an Party-Hotspots ein Verkaufsverbot. Höchstens fünf Personen aus verschiedenen Haushalten dürfen sich draußen treffen, in Fußgängerzonen gilt Maskenpflicht. In ganz NRW wird die Zahl der Teilnehmer an privaten Feiern im öffentlichen Raum auf 50 beschränkt.

Noch drastischer sind die Maßnahmen in Berlin. Dort gilt seit Samstag Sperrstunde: Restaurants, Bars, Kneipen und die meisten Geschäfte müssen von 23 bis 6 Uhr geschlossen sein. Bei privaten Treffen dürfen drinnen nur noch höchstens zehn Menschen zusammenkommen. Nachts im Freien liegt die Grenze bei fünf Personen.

Die Berliner City war zwar in den ersten beiden Nächten ab 23 Uhr weitgehend düster, dennoch musste die Polizei einige Bars schließen und Gruppen auflösen, unter anderem 50 Leute vor einem Späti am Kottbusser Tor und 20 vor einer Bar in Friedrichshain. Aus der Gastro-Szene kommt Kritik: Wie sinnvoll ist eine Sperrstunde, wenn sich die Feiern ins Private verlagern – und damit auch die Kontaktverfolgung schwieriger wird?

Auch in Stuttgart ist eine Sperrstunde geplant. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte in der „Bild am Sonntag, er erwarte von den Bürgern, nicht mehr alles zu machen, was sie noch dürfen. „Man muss gerade keine Party bei sich zu Hause oder in der Gaststätte feiern.“

Markus Söder zählt schon lange Partys zu den Hauptproblemen bei der Virus-Ausbreitung. „Mehr Maske, weniger Alkohol, kleinere Partys“ – das sei das wirksamste Instrument, sagte Bayerns Ministerpräsident vergangene Woche. Am „BR-Sonntags-Stammtisch“ deutete er einen strengen Kurs an: „Wir müssen uns das nächste halbe Jahr klug aufstellen“, sagte Söder. „Vielleicht können wir im Frühjahr mehr Entspannung haben, allein schon wetterbedingt.“

In München liegt der Inzidenzwert mit 48,6 knapp unter dem Grenzwert – auch hier stellt man sich auf Alkoholverbot und Sperrstunde ein. Nach Meinung der Soziologin Talja Blokland unterschätzt die Politik aber, wie wichtig Kneipen für die Gesellschaft sind. „Es kommt rüber, als wären Bars und Cafés zum Feiern da und nichts Notwendiges“, sagte die Professorin der Humboldt-Universität Berlin. Kneipen seien aber wichtig für das soziale Gefüge einer Stadt. Außerdem könne sich die Sperrstunde auf das Sicherheitsgefühl auswirken. Man bräuchte auch abends volle U-Bahnhöfe. „Man kann sagen: Das ist es uns wert.“ Aber man müsse es bedenken. mit dpa/afp

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