München – Es hat ein paar Tage gedauert, bis die Kritik am Beherbergungsverbot laut wurde. Die meisten Bundesländer hatten vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Menschen aus Corona-Hotspots nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen können. Betroffen waren zu dem Zeitpunkt nur vier Berliner Bezirke, Bremen, Hamm und Remscheid. Mittlerweile überschreiten aber immer mehr Städte den alarmierenden Inzidenzwert von 50 Infektionen pro 100 000 Einwohner. Auch München liegt nun darüber (50,6). Doch aus Politik und Wirtschaft kommen Beschwerden: Ist die Regelung wirklich durchdacht?
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hegt Zweifel. Man müsse in der Kommune Maßnahmen ergreifen, in der der Wert überschritten wurde, sagte er gestern. „In dem Moment, in dem das passiert, braucht man nicht mehr über externe Wirkungen nachdenken.“ Zudem würde auch die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden, je mehr Städte zu Risikogebieten würden. „Noch wichtiger ist aber, dass wir eine einheitliche Linie gehen.“
Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) prüft bereits juristische Schritte gegen ein Beherbergungsverbot. Dehoga-Chef Rainer Balke kritisierte, das Urlaubsverbot für Reisende aus deutschen Hotspots treffe das Kerngeschäft der Tourismusindustrie, obwohl es bisher keine großen Corona-Ausbrüche in der Branche gegeben habe. Schon am ersten Wochenende des Beherbergungsverbots hätten die Telefone der Hoteliers nicht mehr stillgestanden, weil Reisende verunsichert seien. „Das Ganze ist, wie erwartet, in Chaos gemündet“, sagte Balke.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, forderte, das Beherbergungsverbot wieder zurückzunehmen. Die Regelung sei „nicht durchdacht“, sagte der SPD-Politiker. Und auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) meint: „Ich halte diese Maßnahme für rechtswidrig, weil sie weder verhältnismäßig noch geeignet ist.“
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) verteidigte hingegen das Verbot als „echte Notfallmaßnahme“. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) versprachen, dass bei der Ministerpräsidentenkonferenz am morgigen Mittwoch darüber diskutiert werde. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde sich Argumente aller Seiten anhören. Es handle sich aber eigentlich um Länderregelungen.
Schon jetzt zeichnet sich ab, welche Position Markus Söder bei der Debatte einnehmen wird: Bayerns Ministerpräsident deutete bereits mehrfach einen harten Kurs an – im Raum steht eine Ausweitung der Maskenpflicht im Freien. Gestern Abend kündigte der CSU-Chef im BR erneut an, er werde sich für „klarere Regeln für alle“ einsetzen. Was Kommunen mit zu hohen Zahlen helfe, diese wieder zu senken, könne andernorts dabei helfen, dass sie dort erst gar nicht steigen. Söder nannte die aktuelle Situation eine „Weichenstellung“. Wenn die Eindämmung jetzt nicht gelinge, müsse man bald „mit deutlich härteren Maßnahmen rechnen“. Das Beherbergungsverbot verteidigte er. „So richtig durchdacht scheint mir ein Teil der Kritik daran nicht.“ Es handle sich dabei faktisch nicht um ein Urlaubsverbot sondern vielmehr um eine Testpflicht. Denn wer negativ getestet ist, könne auch in Hotels in Bayern übernachten. mit dpa/afp