München – Darf ein vegetarisches Schnitzel „Veggie-Schnitzel“ heißen oder muss es im Supermarkt bald als „vegetarisches Bratstück“ verkauft werden? Und müssen fleischlose Bratlinge von „Veggie-Burger“ in „Veggie-Scheibe“ umbenannt werden? In der kommenden Woche befasst sich das EU-Parlament mit diesen Fragen. Genauer gesagt: mit einer geplanten Vorschrift, nach der nur Fleischprodukte einen Namen tragen dürfen, der an Fleisch erinnert.
Doch warum befasst sich die EU überhaupt damit, ob eine vegane Wurst nicht besser als vegane Stange verkauft werden solle? Die Abstimmung im Parlament ist einer von vielen Verfahrensschritten zur Reform der EU-Verordnung zur Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Dazu hatte die EU-Kommission 2018 einen Entwurf verfasst. Mit Veggie-Burgern und veganer Wurst hatte der sich gar nicht befasst. Doch als das Papier im April 2019 im Agrar-Ausschuss des Parlamentes beraten wurde, fand sich dort eine Mehrheit für einen Änderungsantrag, der auf Fleischersatzprodukte zielte.
Offiziell eingebracht hatte die Änderung der Ausschuss-Vorsitzende Eric Andrieu (Sozialisten) im Zuge eines Kompromisses zu Änderungswünschen mehrer Fraktionen. Einen ähnlich ausgerichteten Änderungsantrag, der auf Milchprodukte zielt, hat der deutsche Abgeordnete Norbert Lins (EVP/CDU), der heute Vorsitzender des Ausschusses ist. Sie sollte auch Produktbezeichnungen wie „Käsealternative“oder „Butterersatz“ verbieten. Ein schon vorher erlassenes Verbot von Begriffen wie Sojamilch, die keine tierische Milch enthalten, hat in der Zwischenzeit der Europäische Gerichtshof bestätigt.
Das Begriffsverbot für Fleischersatz hatte im Dezember 2016 auch schon der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in der „Bild“-Zeitung gefordert. Zu Veggie-Schnitzel und veganer Currywurst sagte er: „Diese Begriffe sind komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher. Ich setze mich dafür ein, dass sie im Sinne einer klaren Verbraucherkennzeichnung verboten werden.“
Vom Deutschen Fleischer-Verband (DFV) hieß es 2016, auch wenn Verkehrsbezeichnungen für Fleischersatzprodukte oft durch Begriffe wie „vegetarisch“ oder „vegan“ ergänzt würden, könnten „diese Surrogate zu Verbrauchertäuschungen und Verwechslungen führen“. Veggie-Schnitzel möge man lieber „Bratstück“ nennen.
Zusammen mit dem Deutschen Bauernverband habe man sich an die Lebensmittelbuchkommission (DLMBK) gewandt, schrieb der Fleischerverband damals auf seiner Internetseite. Die DLMBK ist ein vom Bund finanziertes Gremium, das Leitsätze zur Lebensmittel-Kennzeichnung herausgibt. Sie griff den Antrag zwar auf, nahm ihn 2018 aber nur abgeschwächt in die Leitsätze auf.
Die Grünen wollen die Kennzeichnungs-Vorschriften zu Fleischersatz und Milchersatz-Produkten noch verhindern. „Wir werden Einzelabstimmungen zu diesen Punkten beantragen“, sagt die grüne EU-Parlamentarierin Henrike Hahn aus München. Findet das Verbot eine Mehrheit im Parlament, ist es noch nicht beschlossen, dürfte im weiteren Verfahren aber schwer abzuwenden sein. Das Bündnis „ProVeg“ will mit einer Petition Einfluss auf die Entscheidung nehmen. 150 000 Menschen in der EU haben sie bisher unterzeichnet. STEFAN REICH