München/Berlin – Kurz vor den Herbstferien bröckelt das Beherbergungsverbot. Aktuell gilt die Regel für Einreisende aus Risikogebieten nur noch in jedem zweiten Bundesland. Zwei Gerichte haben gestern die Vorgaben für große Länder gekippt – und selbst Bayerns Ministerpräsident kommt ins Grübeln.
Das Verbot mit dem seltsamen Namen regelt, grob gesagt: Wer aus einer Stadt mit vielen Infektionen kommt, darf nur anderswo im Hotel übernachten, wenn er einen frischen, negativen Corona-Test hat. Die Regel stammt aus der Zeit der Sommerferien, als Heimkehrer vor allem vom Balkan Infektionen einschleppten – und wurde irgendwie fürs Inland umgebaut. Länder mit niedrigen Infektionszahlen wie Mecklenburg-Vorpommern wollen sich so zum Beispiel vor Berliner Reisenden schützen.
Das Problem dabei sind viele widersprüchliche Details. Das Reiseverbot gilt bei den Bundesländern untereinander, nicht innerhalb. Ein Berliner darf also nicht in Niederbayern ins Hotel, ein Münchner aber schon – obwohl beide Städte in der Sieben-Tage-Inzidenz über 50 liegen. Übernachtet der Berliner aber bei einem Freund in der Privatwohnung – wo das Ansteckungsrisiko höher ist als allein im Hotel –, ist das problemlos erlaubt. Hinzu kommt, dass Experten kaum Infektionen durch Inlandsreisen feststellten.
Die Ministerpräsidenten, in der Sache tief zerstritten, einigten sich am Mittwochabend noch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen. Die Frage wurde auf 8. November vertagt, also nach den Herbstferien, wenn die Inlandsreisewelle durch ist. Am Donnerstag dürfte allerdings eine Art Domino-Effekt eingesetzt haben. Erst kippte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim das Verbot für Baden-Württemberg, weil es ein unverhältnismäßiger Einschnitt in das Grundrecht auf Freizügigkeit sei. Dann folgte in Niedersachsen ein Oberverwaltungsgericht. Beide Entscheidungen sind nicht anfechtbar. In Sachsen kündigte die Regierung an, die Regelung ab Samstag aufzuheben, das Saarland folgte sogleich.
Markus Söder, in Bayern im Zweifel für die strengere Regel, denkt wohl daran, das Verbot fallen zu lassen. „Wir sehen die Probleme, bei der Akzeptanz und der Umsetzbarkeit“, sagte er am Donnerstag. Vorerst kündigte er an, bis 8. November daran festzuhalten; verbunden mit der Bitte an die Bürger, es sei jetzt „keine gute Zeit, kreuz und quer durchs Land zu reisen“. In Regierungskreisen, auch bei den Freien Wählern, wird jedoch mit einem Einlenken gerechnet.
Im Gespräch ist nun allerdings eine drastischere Vari-ante: eine Art Ausreiseverbot aus Risikogebieten. Die Regierungschefs aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben das intern vorgeschlagen, sich aber unter den Ministerpräsidenten nicht durchgesetzt. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, legt nun nach und hält sogar eine Abriegelung von Risikogebieten für möglich. „Inzwischen kann ich mir vorstellen, dass solche Maßnahmen durchgeführt würden“, sagte Wieler dem Fernsehsender Phoenix. cd