Brüssel – Im Streit über ein Brexit-Handelsabkommen der EU mit Großbritannien steht es wieder Spitz auf Knopf. Der EU-Gipfel forderte London am Donnerstagabend auf, „die nötigen Schritte zu tun, um ein Abkommen möglich zu machen“. Man wolle weiter einen fairen Deal, aber nicht zu jedem Preis, sagten EU-Unterhändler Michel Barnier und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel. Der britische Unterhändler David Frost reagierte enttäuscht und kündigte eine offizielle Erklärung für Freitag an. Dann könnte Premierminister Boris Johnson sagen, ob er die Verhandlungen abbricht.
Beide Seiten arbeiten seit Monaten an einem Handelspakt, der nach dem Brexit und der wirtschaftlichen Trennung zum Jahresende Zölle und Handelshemmnisse verhindern soll. Doch ist man in entscheidenden Punkten von einer Lösung weit entfernt – obwohl Johnson der EU eine Frist bis 15. Oktober gesetzt hatte.
Barnier schlug vor, die Verhandlungen in den nächsten zwei, drei Wochen noch zu intensivieren. Er wolle kommende Woche komplett in London sein. Dann sei eine Runde in Brüssel vorgesehen. Die Gipfelerklärung fordert zugleich Zugeständnisse aus London, vor allem bei den Knackpunkten Fischerei, Wettbewerbsbedingungen und Streitschlichtung. „Auf keinen Fall dürfen unsere Fischer die Opfer des Brexits sein“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Merkel hatte zuvor gesagt, es gehe nicht um eine Einigung um jeden Preis, sondern um eine faire Vereinbarung, von der beide Seiten profitieren könnten. „Es lohnt sich alle Mühe.“ Ratschef Charles Michel betonte, die EU sei hundertprozentig geschlossen und „extrem ruhig“.
Nach der Brexit-Debatte berieten die EU-Staats- und Regierungschefs am Abend ein neues Klimaziel für 2030 und waren sich grundsätzlich einig, die Zielmarke höher zu setzen. „Um das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 in Übereinstimmung mit dem Pariser Abkommen zu erreichen, muss die EU ihre Ambition für die nächsten zehn Jahre erhöhen und ihre Klima- und Energiepolitik anpassen“, heißt es im Gipfelbeschluss.
Eine Festlegung auf den Vorschlag der EU-Kommission, die EU-Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken, gab es erwartungsgemäß noch nicht. Darüber soll erst im Dezember entschieden werden. Merkel stellte sich aber bereits hinter dieses Ziel. Es wäre wichtig, wenn sich die EU-Staaten bis Dezember gemeinsam dazu bekennen würden, sagte die CDU-Politikerin. „Deutschland wird das jedenfalls tun.“ Bisher gilt als Ziel für 2030 minus 40 Prozent. Elf weitere EU-Staaten haben sich ebenfalls bereits hinter diese Position gestellt, doch einige bleiben skeptisch. Darunter ist Polen, das stark auf Kohle angewiesen ist.
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte, auch der Gipfel hätte besser online statt vor Ort stattfinden sollen. Tatsächlich musste Ursula von der Leyen das Ratsgebäude umgehend wieder verlassen: Weil jemand aus ihrem Stab positiv getestet wurde, begab sich die 62-Jährige in Quarantäne.