Söder verordnet strenge Sperrstunde

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Die Pressekonferenz ist schon aus, sein Mikrofon aber noch an, als Markus Söder die Maske aufschnallt und düster vor sich hin murmelt: „Es kommt alles näher.“ Alles: Der Winter kommt, die Virenlast wird immer dichter, und jetzt kommen auch die scharfen Regeln aus dem Frühjahr zurück. Für weite Teile Bayerns verhängt die Staatsregierung wieder sehr strenge Corona-Vorgaben. Kein Lockdown, noch nicht, aber die Vorstufe.

Söder und seine Staatsregierung setzen das neue Regelwerk bewusst auf die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom Vorabend auf. Da hatten sich der Bayer und Kanzlerin Merkel an seiner Seite nicht mit einem sehr strengen Paket durchsetzen können. „Die Beschlüsse gestern waren zu wenig“, klagt Söder, das genüge nicht, „um vor die Welle zu kommen und den Anstieg zu bremsen“. Weil Infektionsschutzrecht eine fast reine Landeskompetenz ist, ordnet er nun in Bayern an, was er für nötig hält.

Man kann es sich als Ampel vorstellen. Auf Grün stehen alle Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 35, der Landkreis Erding zum Beispiel. Hier sind Veranstaltungen und Feste erlaubt mit 100 Gästen drinnen und 200 draußen, für Kultur, Sport und Kirchen gelten weiter Sonderregeln. Die Maske muss wie bisher in Zügen, Bussen, Schulen, Krankenhäusern und Restaurants getragen werden.

Auf Stufe Gelb springen Gebiete mit einer Inzidenz über 35, wie aktuell Starnberg. Jetzt werden Feiern stark eingeschränkt: maximal zehn Personen oder zwei Haushalte, ob daheim oder im Lokal. Die Maskenpflicht wird stark ausgeweitet, auf Fußgängerzonen, Fahrstühle, Kantinen und Schulen ab der 5. Klasse, da auch im Unterricht. Fans beim Sport, Gäste auf Kongressen und Zuschauer in Theatern müssen auch am Platz Maske tragen. Ab 23 Uhr ist Sperrstunde in der Gastronomie, Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen und Verkaufsstopp an Tankstellen. Entschieden wird landkreisweit, aber auch ganz Bayern liegt bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 31,9.

Stufe Rot auf Söders Ampel wird bei 50 erreicht, derzeit etwa in München. Sperrstunde, Alkoholverbot, Verkaufsstopp 22 Uhr, private Feiern wo auch immer werden auf fünf Personen oder zwei Haushalte gedeckelt, die Maskenpflicht gilt dann auch an Grundschulen. „Das ist keine Soll- oder Kann-Vorschrift“, sagt Söder, kein Ermessensspielraum für örtliche Gesundheitsämter, die – wie München – in einigen Details lax sind, „sondern ein Muss“. Für mindestens vier Wochen soll die Ampel so gelten, jede Woche prüft das Kabinett eine Verschärfung.

Im Hintergrund steht die Sorge, die stark steigenden Infektionszahlen in der kalten Jahreszeit nicht mehr in den Griff zu bekommen. Söder sieht, dass die Disziplin auch in Bayern nachlässt, er ahnt auch, dass die Akzeptanz für scharfe Schritte sinkt. „Corona ist kein Krieg, sondern eine Geduldssache. Wenn wir die Nerven behalten, verhindern wir Schlimmeres.“

Was das „Schlimmere“ sein soll, lässt er im Ungefähren: ein Lockdown, wieder Verbote für Reisen, Kultur, Sport. Jeden Tag rücke man dem näher. Einen Plan gibt es noch nicht, nur Eckpunkte. Söder hat als nächste Eskalationsstufe eine noch weitere Maskenpflicht und noch engere Kontaktsperren im Hinterkopf. Die Weihnachtsmärkte, eben noch mit großem Optimismus und Abstandsregeln gebilligt, stehen bei Inzidenzen über 50 auf der Kippe.

In der Koalition ist die Verschärfung Konsens. Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger dürfte schon glücklich sein, wenn sich keiner an seine wortreichen Festlegungen aus dem Sommer erinnert, es werde „keine zweite Welle“ geben. Seine Freien Wähler feiern als Erfolg, dass sie als vor einigen Wochen erste den Vergleich mit der Ampel vorgebracht hatten.

Die Opposition ist inhaltlich gespalten und kritisiert einhellig nur das Hin und Her ums Beherbergungsverbot. Söder verteile die gelb-rote Karte, sagt SPD-Fraktionschef Horst Arnold respektvoll und stellt sich hinter alle Einzelmaßnahmen. „Die bislang getroffenen Lockerungen wurden von einigen Wenigen vollkommen falsch verstanden.“ Die FDP spricht hingegen von „reiner Profilierungssucht“ und hält die Sperrstunde, ob 22 oder 23 Uhr, für nutzlos. Die AfD verbreitet, Söder bekämpfe mit Angst und Panik statt Corona die eigene Bevölkerung.

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