Merkel sagt: „Ich bitte Sie!“

von Redaktion

Berlin/München – Jetzt hat es auch den Bundespräsidenten erwischt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begab sich in Quarantäne, nachdem einer seiner Personenschützer positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Zwei erste Test bei Steinmeier (darunter ein Schnelltest) fielen negativ aus, wie eine Sprecherin mitteilte. Seine Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels wurde dennoch nur verlesen. Corona sei die „Nagelprobe für internationale Solidarität und weltweite Kooperation in Forschung und Politik“, so der Präsident.

Es war das Wochenende der großen Appelle. Auch von der Bundeskanzlerin. Es zähle jetzt jeder Tag, sagte Angela Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. „Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.“ Um Ansteckungsketten zu unterbrechen, müssten die Kontaktpersonen jedes infizierten Menschen benachrichtigt werden. „Die Gesundheitsämter leisten dabei Großartiges, aber wo die Zahl der Infizierten zu hoch wird, da kommen sie nicht mehr hinterher.“

Bund und Länder hatten am vergangenen Mittwoch etliche Maßnahmen gegen Corona beschlossen. Intern machte Merkel aber deutlich, die Beschlüsse reichten nicht aus, Auflagen könnten weiter verschärft werden. Eine Auffassung, nicht alle teilen. FDP-Chef Christian Lindner sagte der „Bild am Sonntag“: „Wenn die Bundeskanzlerin eine solche Dramatik sieht, muss sie umgehend eine Regierungserklärung abgeben. Ein Podcast ersetzt nicht die Debatte im Bundestag, wenn es um Grundrechte geht.“

Immer wieder wird eine uneinheitliche Linie der Länder kritisiert. Das gilt etwa für das umstrittene Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikogebieten. Dieses ist inzwischen in vielen Ländern von Gerichten gestoppt worden: Sogar Mecklenburg-Vorpommern, bislang eher Vorreiter, gab seinen harten Kurs beim Beherbergungsverbot auf. Wenige Tage vor einem dazu erwarteten Gerichtsurteil einigten sich Landesregierung und Tourismusbranche darauf, dass für Urlaub ein aktueller negativer Corona-Test ausreicht. Die bisher zusätzlich geforderte Quarantäne von mindestens fünf Tagen und ein folgender zweiter Test entfallen.

Die Zahlen bleiben weiter hoch: Am frühen Sonntagmorgen meldete das Robert Koch-Institut 5587 Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages in Deutschland, eine Woche zuvor waren es 3483 neue Fälle. Am Samstag war mit 7830 zum dritten Mal in Folge ein Höchstwert erreicht worden. Am Sonntag und Montag sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, auch weil am Wochenende – trotz Pandemie – nicht alle Gesundheitsämter Daten übermitteln.

„Die hohe Anzahl an Neuinfektionen macht mich schon sehr nachdenklich“, sagte der Münchner Infektiologe Dr. Christoph Spinner gegenüber „Focus“ und merkt an, dass es zuletzt „vermehrt zu unkontrollierten Infektionsausbreitungen“ gekommen sei. Nicht mehr jede Infektionskette sei so nachvollziehbar. Mit der deutlichen Zunahme komme es wieder verstärkt zu Infektionen bei älteren Menschen, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines schwereren Corona-Krankheitsverlaufs höher sei, so Spinner. Dies sei offenbar in Teilen Deutschlands bereits der Fall.

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