Atom-Abkommen: Russland zu Zugeständnissen bereit

von Redaktion

Moskau kommt den USA entgegen und will die Zahl seiner nuklearen Sprengköpfe nun doch für ein Jahr „einfrieren“

Washington/Moskau – Russland hat sich bereit erklärt, die Zahl seiner Atomsprengköpfe für ein Jahr nicht zu erhöhen, wenn die USA mit ihrem Atomwaffenarsenal genauso verfahren. Moskau schlage die Verlängerung des New-Start-Abkommens zur atomaren Abrüstung um ein Jahr vor und sei dafür bereit, diese Verpflichtung einzugehen, erklärte das Außenministerium gestern. New Start ist das letzte verbliebene nukleare Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland und läuft nach jetzigem Stand am 5. Februar 2021 aus.

Mit der Bereitschaft, seine Atomsprengköpfe ein Jahr lang ruhen zu lassen, vollzieht die Regierung in Moskau weniger als zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl eine Wende. Erst vor rund einer Woche hatte Moskau eine entsprechende Forderung der USA als „inakzeptabel“ abgelehnt.

Am vergangenen Freitag warb Russlands Staatschef Wladimir Putin erneut für eine einjährige Verlängerung des New-Start-Abkommens „ohne Vorbedingungen“. Es sei „außerordentlich bedauerlich“, wenn der Vertrag ersatzlos auslaufe. Der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Robert O’Brien, bekräftigte daraufhin die Forderung Washingtons nach einem beiderseitigen „Einfrieren“ der Arsenale als Vorbedingung für eine Verlängerung des Abkommens.

Das Außenministerium in Moskau erklärte nun, ein Einfrieren seiner Atomsprengköpfe sei nur möglich, wenn die USA auf „weitere Forderungen“ verzichteten. Zugleich betonte das Ministerium, dass eine einjährige Verlängerung des Abkommens umfassende Verhandlungen über eine Fortsetzung der Vereinbarungen in den kommenden Jahren ermöglichen würde.

Beide Länder besitzen zusammen rund 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen. Russland möchte eine Verlängerung des Vertrags, hatte zuletzt aber kaum noch Chancen dafür gesehen – auch wegen der anstehenden US-Präsidentenwahl.

In dem 2010 geschlossenen Abrüstungsabkommen hatten sich Russland und die USA verpflichtet, die Zahl ihrer Trägersysteme auf 800 und die Atomsprengköpfe auf maximal 1550 zu reduzieren – etwa 30 Prozent weniger als im Vorgängervertrag Sort von 2002. Im Juni hatten beide Seiten eine erste Verhandlungsrunde über die Zukunft von New Start ohne greifbare Ergebnisse beendet. Die US-Regierung pocht auf eine Beteiligung Chinas an den Abrüstungsgesprächen.

Peking lehnt eine Teilnahme an den Gesprächen jedoch mit der Begründung ab, sein nukleares Arsenal sei wesentlich kleiner als das von Russland und den USA. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri verfügen die USA und Russland zusammen über rund 38 Mal so viele Atomsprengköpfe wie China.

Die USA hatten im vergangenen Jahr bereits den INF-Vertrag über die atomare Abrüstung im Mittelstreckenbereich aufgekündigt. Im Mai dieses Jahres kündigte Washington dann auch den Ausstieg aus dem „Open-Skies“-Abkommen mit Russland an, das beiden Seiten Beobachtungsflüge im Luftraum des anderen Vertragspartners ermöglicht.

Der demokratische Wahl-Herausforderer von US-Präsident Trump, Joe Biden, hat sich im Wahlkampf für eine Verlängerung des New-Start-Abkommens ausgesprochen.

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