Entfremdung von Union und FDP

von Redaktion

VON MIKE SCHIER UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Das Treffen ist fast auf den Tag genau zwei Jahre her. 17. Oktober 2018 im schmucklosen Saal 2 des Landtags: Sondierungsgespräche zwischen CSU und Grünen über eine Koalition in Bayern. Die Grünen haben Verstärkung aus Berlin mitgebracht: die schrille Claudia Roth und den langhaarigen Anton Hofreiter. Später berichten Teilnehmer, wie sehr vor allem der brummige CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer mit diesen seltsamen Gästen aus der Hauptstadt fremdelte. Und so endete Markus Söders Sondierung mit der Öko-Partei, noch ehe sie richtig begonnen hatte.

Zwei Jahre sind eine lange Zeit in der Politik. Viel ist seitdem geschrieben worden über die Ergrünung des CSU-Chefs und möglichen Kanzlerkandidaten. Er bezeichnet die Partei inzwischen offen als möglichen Partner im Bund. Das hieße: die CSU im Kabinett Schulter an Schulter mit Hofreiter. Ein Schlüssel dafür liegt nicht bei den Grünen – sondern in der Entfremdung zwischen Union und FDP. Sie ist nicht überall in Deutschland gleich ausgeprägt – Armin Laschet regiert in NRW mit den Liberalen –, aber in der CSU ist sie nicht mehr zu übersehen.

Schon vor zwei Wochen sagte Söder, die Liberalen schienen orientierungslos und hätten „vieles falsch entschieden – Jamaika, Thüringen und auch in der Corona-Krise“. Am Montag wurde er deutlicher: „Es gibt nicht nur die AfD, sondern auch andere politische Kräfte, die tagtäglich versuchen, die gesamten Maßnahmen zu relativieren und die Bevölkerung nahezu aufrufen, nicht mitzumachen.“ Die Liberalen sollten den gemeinsamen Kurs mit der AfD überdenken.

FDP-Chef Christian Lindner antwortete umgehend: „Was hat die Corona-Politik mit Markus Söder gemacht, dass er die FDP in die Nähe der AfD rückt, weil wir an der Beteiligung der Parlamente bei Eingriffen in Grundrechte festhalten und die Wirksamkeit von Maßnahmen begründet sehen wollen?“, fragte er via Twitter. Weiter will er sich zu dem Vorgang nicht mehr äußern.

Der Riss reicht weit tiefer, begann vor Corona. Die Union sieht den Grund der Entfremdung allein bei den Liberalen – vor allem beim neuen Generalsekretär Volker Wissing. Er warb früh für eine Ampel-Koalition, also eine Regierung jenseits der Union. Im Berliner Alltag suchten seine Liberalen mehrfach den Schulterschluss mit Grünen und sogar Linken, etwa beim für die Union heiklen Wahlrecht. Direkte Drähte zu Wissing gibt es kaum, bei der informellen Runde aller Generalsekretäre neulich fehlte er. Die FDP trete im Überlebenskampf hemmungslos um sich, heißt es bei der CSU. Generalsekretär Markus Blume spottet, inzwischen gelte in der FDP die Parole „Hauptsache Regieren, egal mit wem“.

In der FDP sieht man das komplett anders. Die CSU empfinde die Aufklärungsarbeit der Liberalen beim Mautdesaster von Andreas Scheuer offenbar zunehmend als lästig, sagt einer aus der Berliner Fraktionsspitze. Mancher vermutet hinter Söders Äußerung eine Retourkutsche. Außerdem sei offensichtlich, dass Söder die FDP vor der Bundestagswahl unter fünf Prozent drücken wolle – um dann aus gestärkter Position mit den Grünen zu regieren.

Heute hält Söder im Landtag eine Regierungserklärung. Die Nerven sind gespannt. „Ich habe Landtagspräsidentin Ilse Aigner aufgefordert, die CSU zur Mäßigung aufzurufen“, sagt Vizepräsident Wolfgang Heubisch. „Es ist ein untragbarer Zustand, dass uns die CSU in die Nähe der AfD rückt.“ Trotzdem wird FDP-Fraktionschef Martin Hagen Söder heute hart kritisieren. „Die inhaltliche Schnittmenge ist mit der Union immer noch am größten, zur zweiten Reihe der CSU pflegen wir auch gute Kontakte“, sagt Hagen. „Aber Söder zielt im Bund ganz klar auf ein schwarz-grünes Bündnis, da stört eine starke FDP natürlich.“

Wirklich stark ist die FDP derzeit nicht. Zuletzt wurde eine Insa-Umfrage gefeiert, die die Liberalen bei 7,5 Prozent sieht. Bei der Bundestagswahl 2017 waren es noch 10,7. In Bayern gab es 2018 keine rechnerische Mehrheit für Schwarz-Gelb – weshalb nicht einmal sondiert wurde.

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