München – Was im Sommer kaum im Fokus stand, wird im Corona-Herbst umso wichtiger: der Schutz vor Aerosolen (kleine Partikel) in Innenräumen. So warnt das Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Internetseite sogar: „Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 Meter erhöhen.“ Doch was sollte man im Hinblick auf Covid-19 besonders beachten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was genau sind Aerosole?
„Aerosole sind Tröpfchen, an denen Viren hängen können“, sagt Franz-Xaver Reichl, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Corona-Experte unserer Zeitung. Dabei unterscheidet man zwischen größeren Tröpfchen (etwa 1 Millimeter) und kleineren, sogenannten Mikrotröpfchen (etwa 0,1 Mikrometer). Während größere Tröpfchen innerhalb eines Meters zu Boden fallen, verteilen sich Mikrotröpfchen erst ringförmig und dann gleichmäßig im Raum. Bei heftigem Husten oder Niesen können sie sich sogar in einem Radius von bis zu acht Metern ausbreiten.
Warum spielen sie drinnen eine so große Rolle?
Weil sie sich hier über Stunden halten können. Daher gilt: Gerade in geschlossenen Räumen sind Regeln wie regelmäßiges Lüften und Händewaschen, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und Niesen oder Husten in die Armbeuge dringend zu beachten. Für öffentliche Innenräume, etwa Restaurants, sind zusätzlich Trennscheiben empfehlenswert. Zudem ist regelmäßiges Lüften in geschlossenen Räumen extrem wichtig – je nach Außentemperatur alle 30 bis 60 Minuten etwa fünf Minuten. Je häufiger gelüftet wird, desto geringer das Infektionsrisiko.
Schützen Raumlüfter vor Infektionen?
„Raumluftfilter sind gerade für Schulen oder Kitas extrem sinnvoll“, findet Experte Reichl. Denn im Winter können die Fenster dort nicht dauerhaft geöffnet bleiben. Hier seien mobile Raumluftfilter empfehlenswert.
Wird die Aerosol-Übertragung unterschätzt?
Nein. Zumindest nicht aus der Sicht der Wissenschaftler, sagt Reichl. Es gebe immerhin eine ganze Reihe von Studien zur Übertragung von Covid-19 durch Aerosole. Sie alle deuteten darauf hin, dass Aerosole Infektionen hervorrufen können. Nur: Im Sommer fand das gesellschaftliche Leben eher draußen statt, im Herbst und Winter sind wir indes häufiger drin – und somit auch eher mit Aerosolen konfrontiert.
Welche Rolle spielt dabei die Raumtemperatur?
Je trockener die Raumluft, desto weniger Flüssigkeit können Viren aufnehmen –die Aerosolgröße sinkt. Kleinere Aerosole sinken aber nicht so schnell zu Boden wie größere, die Flugweite steigt. Bei einer Luftfeuchtigkeit unter 40 Prozent sei daher von einem höheren Infektionsrisiko auszugehen, sagt Reichl. Für Innenräume werde eine Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent empfohlen.
Besteht die Gefahr einer Ansteckung über Aerosole auch im Freien?
Allgemein sei das Übertragungsrisiko im Freien geringer als im Innenraum. Wind verteile den Radius der Tröpfchen – die Virenkonzentration in der Luft sinke. Eine Ansteckung im Freien sei aber keineswegs ausgeschlossen, warnt Experte Reichl. Zusätzlich müsse man beachten, dass bei einer größeren Schrittgeschwindigkeit auch ein größerer Abstand erforderlich sei. So sollte etwa ein Jogger mit einem Tempo von 14 Kilometern pro Stunde bereits einen Abstand von zehn Metern zu seinen Mitmenschen einhalten.
Schützt ein Mund-Nasen-Schutz vor Aerosolen?
Ein herkömmlicher Mund-Nasen-Schutz kann zwar vor einer Übertragung durch größere Tröpfchen schützen, erklärt Reichl. Einfache Masken böten aber keinerlei Schutz vor Mikrotröpfchen. Lediglich sogenannte „FFP2-Masken“ und noch dichtere Masken könnten auch solche Mikrotröpfchen abhalten.
Was halten Sie vom Masketragen im Freien?
Das macht Reichl von der Inzidenz eines Gebietes abhängig, also von der Zahl der Infizierten pro 100 000 Einwohner. Ab einem Wert von 35 sei Masketragen auch draußen zu empfehlen, ab 50 sogar dringend zu empfehlen. Grundsätzlich mache das aber nur Sinn, wenn man sich in (Klein-)Gruppen befinde und/oder der Mindestabstand nicht eingehalten werden könne. Heißt also: Wer allein im Wald spazieren geht, braucht natürlich auch keine Maske. Anders, wer in der Adventszeit auf einen Weihnachtsmarkt will: Dort sei das Tragen von Masken im Freien durchaus sinnvoll.
Draußen wird eine Maske aber schnell feucht. Schützt sie dann noch?
Je feuchter eine Maske, etwa durch Regen oder Nebel, desto durchlässiger ist sie für Aerosole. Reichls Tipp: Immer eine trockene Reservemaske dabei haben. So kann man eine durchfeuchtete Maske schnell wechseln – und das ist auch nötig, wenn man die Maske drinnen trägt. Denn mit der Zeit durchfeuchtet die Atemluft den Stoff.
Welche zusätzlichen Maßnahmen würden Sie sich wünschen?
Auch Reichl spricht sich für die bereits etablierte „AHA-Regel“ aus. Also: Abstand halten, Hygieneregeln beachten und Alltagsmaske tragen. Unser Experte schlägt vor, diese zur „AHALCM-Regel“ zu machen – indem man sie um drei Maßnahmen ergänzt: Lüften, die Corona-Warnapp nutzen und regelmäßiges Mundspülen. Denn: Wer den Rachenraum mit einer herkömmlichen Mundspüllösung desinfiziert, könne die Virenlast im Mundraum senken – und damit das Ansteckungsrisiko. ANNA TRATTER