Berlin – Auch am Tag nach Bekanntwerden seiner Corona-Infektion erhielt Jens Spahn viele Genesungswünsche. Von Kabinettsmitgliedern, Ministerpräsidenten, aus den Parteien und auch zahlreiche Bürger wünschten ihm in den sozialen Netzwerken gute Besserung und einen milden Verlauf. Freilich war nicht jeder Spahn wohlgesonnen. Der Gesundheitsminister musste zugleich Häme bis hin zu übelsten Anfeindungen einstecken.
In einigen Chatforen wurde Spahn beschimpft, mit Hohn bedacht wie „geschieht ihm recht“, selbst homophobe Aussagen waren zu lesen. Auch aus der AfD kam Spott. FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte hingegen: „Hoffentlich nimmt die Krankheit eine milden Verlauf. Deutschland braucht Sie gerade jetzt.“ Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte: „Das kann jedem von uns heute passieren.“ Er wisse, wie vorsichtig der Minister immer gewesen sei. „Das zeigt nur, wie hoch das Infektionsrisiko heute für jeden ist“, so Lauterbach.
Spahn ist in der Corona-Krise einer der wichtigsten Akteure. Ungeklärt ist bisher, wo genau er sich infiziert hat. Da ergeht es ihm nicht anders als vielen anderen Erkrankten. Es gebe keine Indizien, hieß es aus seinem Ministerium. Zu erfahren war, dass dem Minister zwar Risiko-Begegnungen auf seiner Corona-App angezeigt wurden, aber nur mit „niedrigem Risiko“. Ein Sprecher teilte mit, Spahn gehe es den Umständen entsprechend gut. „Er hat weiterhin kein Fieber, zeigt aber Erkältungssymptome.“ Dem Vernehmen nach ist er arbeitsfähig. Alle Mitarbeiter aus seinem engeren Umfeld wurden inzwischen negativ getestet. Trotzdem arbeitet die Leitung des Ministeriums weiter aus dem Homeoffice.
Am Mittwochmorgen vor dem positiven Testergebnis saß Spahn noch mit dem Kabinett zusammen. Es musste aber nicht gesammelt in Quarantäne. Ein Regierungssprecher erläuterte, die Minister tagten im Kanzleramt unter strenger Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln. Auch im Falle der Teilnahme einer Person, die später positiv getestet werde, sei eine Quarantäne anderer oder gar aller Teilnehmer nicht erforderlich. Wie streng die Sicherheitsvorkehrungen tatsächlich sind, ist allerdings unklar. Zusätzlich installierte Trennscheiben zwischen den Plätzen der Minister sind nicht vorhanden. Und die Kabinettsmitglieder tragen nicht zu jedem Zeitpunkt eine Schutzmaske. Spahns Infektion führe nicht dazu, den Umgang in der Bundesregierung zu korrigieren, hieß es. Noch nicht. Das könnte sich ändern, sollte es zu weiteren Infektionen kommen.
Getestet werden Regierungsmitglieder nur anlassbezogen. Aber es werden Schnelltests vorgehalten, um die Arbeit der Regierung zu sichern. Im Kabinett wird Spahn jetzt durch die Parlamentarischen Staatssekretäre seines Hauses vertreten.
Sollte auch das irgendwann nicht möglich sein oder aber die Anwesenheit des erkrankten Ministers im Bundestag erforderlich werden, würde das sogenannte Spiegelressort übernehmen. In dem Fall ist es das Arbeitsministerium, das mit dem Gesundheitsressort speziell kooperiert. Minister Hubertus Heil (SPD) würde dann für Spahn einspringen.
Innenminister Horst Seehofer (CSU, inzwischen 71) sieht keinen Anlass für Quarantäne nach Spahns positivem Test. Für Seehofer bestehe derzeit kein Verdacht einer Corona-Infektion, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. Dem Vernehmen nach wurde Seehofer getestet, nachdem bekannt wurde, dass sich Spahn angesteckt hat – mit negativem Ergebnis. HAGEN STRAUSS