München – Markus Lanz‘ Stimme geht nach oben. „Ernsthaft jetzt?“, fragt der ZDF-Talker nach. Gerade hat ihm sein Gast Klaus Reinhardt erklärt, er sei „nicht überzeugt“ von den sogenannten Alltagsmasken, die zig Millionen Deutsche täglich anlegen – nicht zuletzt, weil sie es müssen, wenn sie reisen, arbeiten oder essen gehen wollen. Es gebe „keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz darüber (…) dass die tatsächlich hilfreich sind“, sagte Reinhardt. „Schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken.“
Das alles wäre nicht weiter ungewöhnlich. Reinhardt ist schließlich nicht der erste Mediziner, der die Sinnhaftigkeit der Maskenpflicht infrage stellt. Nur waren all die anderen nicht Präsident der Bundesärztekammer.
Von einem „Vermummungsgebot“ spricht der ranghöchste deutsche Ärztefunktionär im Verlauf der Sendung weiter. In engen Räumen „will ich mir das gefallen lassen“, sagt Reinhardt. Er wolle auch auf gar keinen Fall zur „Galionsfigur der Maskengegner“ werden oder sich im „Maskenkrieg“ instrumentalisieren lassen. Doch dafür könnte es in diesem Moment allerdings schon zu spät sein. „So wie Sie sich gerade ausgedrückt haben, kann man Sie mindestens missverstehen“, sagt Lanz.
Diese Befürchtung hegt man auch in der bayerischen Staatskanzlei. „Es ist mehr als irritierend, wenn sich ein hoher Vertreter der Ärzteschaft unverantwortlicher Corona-Leugner-Diktion bedient und Fake News verbreitet“, sagt Corona-Koordinator Florian Herrmann (CSU) unserer Zeitung. „Die Maske ist ein kleines Mittel mit großer Wirkung, die uns in der Pandemie mehr Freiheit ermöglicht und mehr Sicherheit gibt, gerade dort, wo es mit dem Abstandhalten schwierig ist.“ Für Herrmanns Chef Markus Söder ist sie obendrein zum Markenzeichen geworden. Die gesamte Republik dürfte den Ministerpräsidenten inzwischen mit weiß-blauen Rauten im Gesicht kennen.
Doch alleine ist die Staatsregierung mit ihrem Ärger keineswegs. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnet den Vergleich der Maskenpflicht mit einem „Vermummungsgebot“ als „unentschuldbar“. Das sei „ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt“.
Und selbst Bayerns Ärztekammer-Präsident Gerald Quitterer ist „nicht glücklich“ über die Äußerungen seines Bundesvorsitzenden. Sie konterkarierten die Bemühungen, Patienten die Sinnhaftigkeit des Mund-Nasen-Schutzes nahezubringen. Er selbst trage auch außerhalb seines Praxis-Alltags eine Maske, da es „infektiologisch sinnvoll“ sei, sagt Quitterer unserer Zeitung. „Die Aerosole fliegen mit Maske nicht so weit. Ohne Maske wäre man dagegen völlig ungeschützt.“ Zudem sollten Ärzte nicht einfach die Empfehlungen des Robert-Koch-Institus (RKI) und die „Entscheidungen des Verordnungsgebers“ ignorieren.
Tatsächlich versucht Reinhardt am Donnerstag, seine Äußerungen einzufangen. Gemeinsam mit seinen Vizepräsidentinnen gibt er ein Statement raus, in dem die Ärztekammer dazu aufruft, „in allen Situationen, in denen kein ausreichender Abstand gewahrt werden kann“, Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Für Menschen mit erhöhtem Risiko könnten zudem höherwertige Masken sinnvoll sein. „Wir plädieren deshalb dafür, Risikopatienten FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen“, schreiben die Chefs der Bundesärztekammer.