Eine gesittete Debatte – aber ändert sie etwas?

von Redaktion

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Beim TV-Duell mit dem Demokraten Bill Clinton erwischten die Kameras im Jahr 1992 den Republikaner George H. W. Bush, wie er genervt von Ausführungen Clintons seine Armbanduhr checkte. Es war eine viel beachtete Geste, die zeigte: Für den Amtsinhaber Bush, der später die Präsidentschafts-Wahl gegen Clinton verlor, konnte die Debatte nicht schnell genug vorbei sein. Auch Joe Biden leistete sich, wohl nicht an die Bush-Episode denkend, am Donnerstagabend bei der Debatte mit Donald Trump den so verpönten Check der Uhrzeit. Doch viel spricht dafür, dass dies für den Demokraten keine Folgen haben wird. Denn nur elf Tage vor dem offiziellen Wahltag am 3. November hat gut ein Drittel der berechtigten US-Bürger bereits abgestimmt (siehe Kasten) – und die meisten anderen dürften, das zeigen Umfragen, mittlerweile ihre Präferenzen für die Stimmabgabe haben.

Im Vergleich zur ersten Debatte der beiden Kandidaten, die chaotisch verlief und von Unterbrechungen vor allem von Seiten Trumps geprägt war, erlebten die Zuschauer diesmal dank einer souveränen Moderation und der Androhung einer Mikrofon-Stummschaltung einen wohltuend zivilisierten Abend. Statt lauter Rüpeleien gab es fast immer nur telegenes Kopfschütteln, wenn ein Bewerber die Worte des Gegenüber nicht ertragen konnte. Dabei fehlte es an schwerwiegenden Vorwürfen von beiden Seiten nicht. Biden, der konzentriert und staatsmännisch-souverän das letzte öffentliche Aufeinandertreffen der Kandidaten bestritt, warf dem Präsidenten erneut ein massives Versagen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie vor.

Am überzeugendsten wirkte der Demokrat dabei, als er emotional die Folgen für die Betroffenen beschrieb – und dabei auch den leeren Stuhl am Esstisch beschrieb, mit dem jene Familien nun konfrontiert seien, die einen Angehörigen durch das  Virus verloren haben. Bis zum Debatten-Abend waren in den USA mehr als 222 000 Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben. Eine Schreckenszahl, die Trump erneut mit dem Hinweis zu relativieren versuchte, es hätte doch alles noch viel schlimmer kommen können. Doch Trump musste sich von Biden auch vorhalten lassen, den „Shutdown“ – also die Einschränkungen für das öffentliche Leben – verursacht zu haben. „Doch anstatt zu handeln, spielte er lieber Golf“, so Biden.

Eine Umfrage des Senders CNN zeigte, dass 53 Prozent der US-Bürger den Demokraten als Sieger der Debatte sehen und lediglich 39 Prozent Trump als Gewinner bezeichnen. Das dürfte auch an den Schlussbemerkungen Bidens liegen. Während Trump vor allem auf Negativität setzte und warnte, die Menschen würden bei einem Sieg seines Herausforderers „die schlimmste Depression aller Zeiten“ erleben, verspricht Biden eine Versöhnung des tief gespaltenen Landes. Er werde ein Präsident für alle Bürger sein, sagte er.

Bei den Kernthemen – von Einwanderung über Nordkorea und Rassismus bis hin zum Klimawandel – zeigten sich beide Bewerber unversöhnlich und mit den bekannten Positionen. Eine interessante Abweichung gab es dabei bei Biden, der sich für ein schnelles Ende von fossilen Energien und auch der Ölindustrie einsetzte. Dies sorgte bereits in einigen Bundesstaaten für Entsetzen – auch bei einigen demokratischen Volksvertretern. Unterm Strich wirkten Trumps Konter oft schwach – und hatten teilweise einen kuriosen Unterton. Wie bei seiner Aussage, er sei doch „die am wenigsten rassistische Person in diesem Raum“. Oder als er sich seiner Verdienste für die Schwarzen im Land rühmte – und sogleich mit Abraham Lincoln verglich.

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