Budapest – Am Jahrestag des ungarischen Volksaufstandes von 1956 haben in Budapest tausende Menschen gegen Ministerpräsident Viktor Orban demonstriert. Der Protest am Freitagabend richtete sich vor allem gegen Eingriffe der Regierung im Hochschulbereich. Studenten der Film- und Theaterhochschule SZFE führten die Demonstration an. „Freies Land! Freie Universität!“ rief die Menge. An der Kundgebung und einem Marsch mit Fackeln nahmen nach Schätzung eines AFP-Fotografen rund 10 000 Menschen teil. Die Teilnehmer des Protests marschierten weitgehend schweigend, berichtete das Nachrichtenportal „merce.hu“. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie „Die Kunst ist frei“ und „Es reicht!“.
Studenten halten den Campus der SZFE seit Anfang September besetzt. Zuvor war die Universitätsleitung aus Protest gegen die Regierung zurückgetreten. Diese hatte die staatliche Hochschule an eine private Stiftung übertragen, deren Leitung von der Regierung bestimmt wird. Die frühere Hochschulleitung und die Besetzer werfen der Regierung vor, die Autonomie der Universität beschränken zu wollen.
Orbans Kritiker sehen in dieser Reform einen weiteren Schritt der nationalistischen konservativen Regierung, um linksgerichtete Institutionen unter ihre Kontrolle zu bringen. Denn auch in anderen Bereichen lege Orban einen autoritären Regierungsstil an den Tag. Inzwischen kontrollieren Verbündete Orbans weite Teile von Ungarns Wirtschaft, Medien, Hochschulen und Kultureinrichtungen. Im vergangenen Jahr war deshalb die Zentraleuropäische Universität (CEU) des aus Ungarn stammenden US-Milliardärs George Soros aus Budapest nach Wien gezogen. Zuletzt wurde zudem mit den Stimmen der regierenden rechtsnationalen Fidesz-Partei Verfassungsrichter Andras Zsolt Varga zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gewählt. Auch er gilt als Orban-Getreuer.
Der Jahrestag des Volksaufstands war von den Organisatoren bewusst als Datum für die Demonstration gewählt worden. Bei dem Aufstand vor 64 Jahren hatte die Bevölkerung gegen die Einparteiendiktatur und den Einfluss der Sowjetunion protestiert. Die sowjetische Armee schlug den Aufstand blutig nieder, nach der Wende 1989 erklärte Ungarn den Beginn des Aufstands am 23. Oktober zum Nationalfeiertag. afp, dpa