Berlin – Er wirkte stets fit wie ein Turnschuh. Auf seinen politischen Sommerreisen lud Thomas Oppermann Journalisten regelmäßig in seine Harzer Heimat zur Wanderung auf den Brocken ein. Die 1141 Meter kann man auch ganz bequem mit einer Schmalspureisenbahn bezwingen. Aber das war nicht Oppermanns Ding. In Sportkleidung stürmte der Sozialdemokrat nach oben und schien sich darüber zu amüsieren, wenn deutlich jüngere Medienvertreter kaum hinterherkamen.
Oppermann wollte immer hoch hinaus. Ein Genosse mit großem Ehrgeiz. Zunächst in der niedersächsischen Landespolitik. 1998 machte ihn Gerhard Schröder zum Wissenschaftsminister in Hannover. Da war Oppermann 43 Jahre alt. Als Schröder die Bundestagswahl gewann, wäre der Landesminister gern Ministerpräsident geworden. Aber es sollte nicht sein. Neuer Versuch: die Bundespolitik.
2005 kandidierte Oppermann erstmals für den Bundestag und gewann auf Anhieb das Direktmandat in Göttingen. Das wiederholte er drei Mal. Eine echte Erfolgsgeschichte. Aber „einfacher Abgeordneter“ wäre für Oppermann nichts gewesen.
Schnell machte sich der gelernte Jurist als Rechts- und Innenpolitiker einen Namen. 2007 wurde er bereits Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Für dieses Amt braucht es strategisches Geschick und die Fähigkeit, den Laden zusammenzuhalten. Auf beides hat sich der konservative Sozi gut verstanden. Er war Parlamentarier durch und durch.
Nach der Wahl 2013 dürfte er sich aber überreif für einen Ministerposten gefühlt haben. Das Innenressort war im Gespräch. Aber daraus wurde aus Gründen des regionalen Proporzes wieder nichts. So wurde Oppermann SPD-Fraktionschef. Vier Jahre später verdrängte ihn dort Andrea Nahles und Oppermann wurde Bundestagsvizepräsident. Er dürfte den neuen Job als Abstieg empfunden haben, mischte aber weiter tagespolitisch kräftig mit. Lautstark geißelte er etwa die Blockadehaltung der Union beim Wahlrecht. Und in der aktuellen Corona-Debatte stritt er für mehr parlamentarische Rechte.
Bereits vor zwei Monaten hatte Oppermann angekündigt, bei der nächsten Bundestagswahl 2021 nicht mehr zu kandidieren. Begründung: Nach 30 Jahren als Landtags- und Bundestagsabgeordneter wolle er noch etwas anderes machen. Dazu wird es nicht mehr kommen. Am Sonntagabend ist Thomas Oppermann im Alter von 66 Jahren in Göttingen gestorben. Er brach kurz vor der Schaltung eines Live-Interviews mit dem ZDF zusammen. Parteiübergreifend waren Schock und Trauer im Berliner Regierungsviertel groß.