Harte Pläne für den Wellenbrecher

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München/Berlin – Es klingt nach Sonne, Strand und Urlaub, wie der Traum von einem Leben nach Corona. „Wellenbrecher“ haben die Polit-Strategen in Berlin den neuen Plan getauft. Der schöne Begriff hat leider statt mit Surf- nur mit Corona-Wellen zu tun: Ein „Wellenbrecher-Shutdown“ soll die dramatisch steigenden Infektionszahlen in Deutschland kappen. Im Klartext: Stillstand.

Hinter den Kulissen wird seit Tagen an den Details für den Brecher gearbeitet. Man kann es einen Lockdown nennen, zumindest einen leichten. Vor der heutigen Videokonferenz der Ministerpräsidenten umriss der Bayer Markus Söder (CSU), was im Gespräch ist. Er erhöhte – in Ton und Wortwahl moderat – zudem den Druck auf die Länder, schnell zu handeln. „Verzögern wird nicht helfen. Verschleppen verschlimmert“, erklärt er. „Wir rücken dem kritischen Punkt näher.“ Es werde keinen „kompletten Lockdown“ geben wie im Frühjahr, aber die Rezepte aus jenen Wochen – „keine Placebo-Maßnahmen“.

Aus bisherigen Aussagen Söders ist abzulesen: Die Läden werden nicht mehr komplett geschlossen, aber womöglich im Zugang eingeschränkt. Sehr wahrscheinlich sind Restriktionen für die Kultur über zwei bis vier Wochen und harte Sperrzeiten für die Gastronomie, vielleicht sogar eine Öffnung nur noch für Abholer. Gottesdienste und Demonstrationen bleiben aus verfassungsrechtlichen Bedenken verschont. Anders als früher spricht Söder auch über eine Schließung der Schulen, zumindest in Regionen mit sehr hoher Inzidenz. Sie sollten möglichst lange offen bleiben und würden „als letztes geschlossen und als erstes wieder aufgemacht“. Er wolle „maximale Flexibilität“ auch bei digitalem Unterricht.

Als plausibel gilt in Regierungskreisen, bis zu Bayerns Herbstferien (Freitag) den Unterricht aufrechtzuerhalten. Nach der einwöchigen Pause soll regional auf Fernunterricht oder zumindest halbierte Klassen umgestellt werden. Details sind unklar. Dazu passt, dass Söder offen ausspricht, dass es kein ganz kurzes Runterfahren werde: „Eine Woche Lockdown bringt gar nichts.“ Das sei wie „ein Tag Antibiotika“ gegen eine schwere Erkrankung. Söder spielt damit auf eine umstrittene Idee von CDU-Vize Thomas Strobl an, zehn Tage die Wirtschaft komplett runterzufahren und den Grenzverkehr einzuschränken.

Noch ist nicht klar, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Die Bundesregierung rechnet mit einem Sprung auf 20 000 pro Tag schon Ende dieser Woche. Söder sagt für Bayern, aktuell sei man auf stabil hohem Niveau.

Worauf sich die Ministerpräsidenten mit Merkel verständigen, ist offen. Noch ist die Lage diffus. Der Linke-Politiker Bodo Ramelow, Regierungschef in Thüringen, will keinerlei Lockdown mittragen. Sachsen-Anhalt hingegen, bisher bei Maßnahmen und Bußgelder skeptisch, ist an Bord. Nötig sei ein „einheitliches nationales Agieren, um Deutschland infektionsmäßig runterzubekommen“, sagt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Er wirbt für bundesweit zeitlich begrenzte Kontaktbeschränkungen, um den Dezember zu entschärfen. „Wir wollen Advent und Weihnachten auf keinen Fall einen Ausnahmezustand erleben.“ Der Saarländer Tobias Hans (CDU) sagt explizit, man brauche „den Mut aus dem Frühjahr, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen“. Volker Bouffier (CDU, Hessen) verlangt „harte Entscheidungen – bei uns laufen die Betten zu“. Auch das SPD-geführte Niedersachsen stützt das. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nennt die Lage „sehr ernst“, will aber keine Einschränkungen für Bildung und Wirtschaft.

Bayern wird im Zweifel die Maßnahmen im Alleingang für sich verschärfen. Für Donnerstag hat Söder sein Kabinett zusammengeholt; genauso lief es auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz vor zwei Wochen.

Überraschend käme ein Lockdown für die Bürger ohnehin nicht mehr. In einer Umfrage von YouGov im Auftrag der dpa sagten 63 Prozent, dass sie Schließungen von Geschäften, Restaurants oder Schulen erwarten. Dem „Deutschlandtrend“ (ARD) zufolge halten 51 Prozent die geltenden Auflagen für angemessen – 8 Punkte weniger als zu Monatsbeginn. Für 32 Prozent gehen die aktuellen Einschränkungen nicht weit genug, ein Plus von 5 Punkten. 15 Prozent halten die Auflagen für zu weitgehend, das sind 4 Prozentpunkte mehr als Anfang Oktober. 50 Prozent klagen, es werde zu wenig kontrolliert.

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