Washington – Der Afro-Amerikaner Michael Steele leitete von 2009 bis 2011 als Vorsitzender die Republikanische Partei. Doch nun hat der frühere Vize-Gouverneur des Bundesstaates Maryland eine Nachricht für die Mitglieder der „Grand Old Party“ (GOP), die Präsident Donald Trump schmerzen dürfte: „Ich bin ein Amerikaner, ein Konservativer und ein Republikaner – in dieser Reihenfolge. Und ich stimme am 3. November für Joe Biden.“ Trump habe, so verkündete Steele kürzlich, nicht nur die Spaltung im Land vertieft, sondern auch die Nähe von Diktatoren gesucht und die Partei nur für einen einzigen Zweck benutzt: Sich feiern zu lassen.
Steele ist bei weitem nicht der einzige Konservative, der Distanz zum Präsidenten sucht. Sich voll hinter den Präsidenten zu stellen, verspricht angesichts der Umfragen nicht unbedingt Image-Gewinn. Ein Teil der Volksvertreter, die vier Jahre lang die Skandale und Kontroversen Trumps weitgehend klaglos hingenommen hatten, wollen deshalb nicht länger schweigen.
Zu den „Rebellen“ zählt auch der republikanische Senator Ben Sasse aus Nebraska, dessen nach einer Konferenzschaltung mit Wählern in die Medien gelangten Worte wie eine Bombe einschlugen: Der Präsident behandele Frauen schlecht und flirte mit extremen weißen Nationalisten, so Sasse. Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, wie Sasse Senator, spricht sich sogar offen gegen eine Wiederwahl Trumps aus: „Unsere Partei hat Probleme mit jungen Leuten, mit Senioren und mit Minderheiten,“ so Romney. Der Präsident habe diese Situation nicht verbessert.
Vor allem für jene Republikaner, die sich am 3. November einem chancenreichen Gegenkandidaten der Demokraten stellen müssen, hat das große Zittern begonnen. Aus diesem Grund stimmte auch die Senatorin Susan Collins aus Maine am Montagabend gegen Trumps Richter-Kandidatin Amy Coney Barrett für den Supreme Court. Es war ein letzter Versuch von Collins, sich für eher liberale Wähler in ihrem Heimat-Bundesstaat aufzuhübschen. Andere Parlamentarier verurteilen offen die anhaltenden Attacken Trumps gegen den führenden staatlichen Coronavirus-Berater Dr. Anthony Fauci, der stets vor einem schnellen Ende des Lockdown gewarnt hatte und nun durch die neuerliche schwere Pandemie-Welle Recht bekommt. Dennoch hat der Präsident Fauci als „Desaster“ bezeichnet – eine Beschimpfung, die nicht jeder Trump-Unterstützer teilt. Der Senator Thom Tillis aus North Carolina, der wie der Präsident um eine zweite Amtszeit zittern muss, verkündete demonstrativ, er habe „viel Vertrauen in Dr. Fauci“.
Zwar sagen die wenigsten Republikaner auf dem Kapitol öffentlich, was die meisten von ihnen glauben: Dass Trump verlieren wird. Keiner hat 2016 vergessen, als eine in den Umfragen deutlich favorisierte Hillary Clinton am Ende verlor. Dennoch: In sage und schreibe zehn Bundesstaaten, die Trump vor vier Jahren gewann, liegt er momentan zurück.
Das lässt dunkle Wolken für den Senat aufziehen, in dem die Republikaner derzeit mit 53 von 100 Sitzen eine knappe Mehrheit haben. Beobachter erwarten massive Schuldzuweisungen und Grabenkämpfe unter den Republikanern, sollte diese Bastion nächste Woche den Demokraten zufallen, die im günstigsten Fall sogar das Weiße Haus und die Mehrheit in beiden Kongresskammern gewinnen könnten.
Ronna McDaniel, die Parteichefin der GOP, versuchte jetzt mit einem drohenden öffentlichen Appell, Abtrünnige und Trump-Kritiker bei der Stange zu halten: Jeder Republikaner, der nicht erkenne, dass es helfe, an der Seite des Präsidenten zu stehen, schade sich langfristig selbst. FRIEDEMANN DIEDERICHS