Airport BER: Eine Berliner Skandalgeschichte

von Redaktion

VON HANNES KOCH

Berlin – In Berlin wundert sich niemand, wenn in Baustellen, die ewige Staus verursachen, monatelang kein Arbeiter auftaucht. Wenn man Tage braucht, um eine spezielle Mitarbeiterin der Stadtverwaltung ans Telefon zu bekommen. Schludrigkeit gehört zur Hauptstadt wie ihre Großkotzigkeit.

Nach 14 Jahren Bauzeit wird am Wochenende der neue Berliner Flughafen BER eröffnet. Ihn fertigzustellen, hat dann dreimal so lange gedauert, wie ursprünglich geplant. Die Kosten sind in Richtung des Zehnfachen gestiegen, womöglich liegen sie bei etwa zehn Milliarden Euro. Im Landesparlament arbeitet seit Jahren der zweite Untersuchungsausschuss, der die Ursachen dafür klären soll.

Im Internet kann man sich die Pressekonferenz vom 8. Mai 2012 anschauen. An diesem Tag wurde die Eröffnung des Airports abgesagt, die drei Wochen später stattfinden sollte. Berlins damaliger Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) brachte es fertig, den Flughafenbau unter Gelächter der Presse als „Erfolgsgeschichte“ zu bezeichnen – obwohl der Geschäftsführer und der Technische Leiter der Flughafengesellschaft zuvor eingeräumt hatten, dass sie die Entrauchungsanlage des Hauptterminals nicht in den Griff bekämen.

Über ignorante Verwaltungen wird überall auf der Welt geklagt. Die Nonchalance der Berliner Bürokratie hat dennoch eine spezielle Note. Die Ursache liegt zum guten Teil in der jüngeren Geschichte der bis 1989 geteilten Stadt. Jahrzehntelang wurden die Ämter und öffentlichen Bediensteten in Westberlin von der Bundesrepublik mit finanziert, damit die marktwirtschaftliche Insel inmitten der sozialistischen DDR überlebte. Politik und Verwaltung in Berlin wussten, dass sie sich vieles leisten konnten, ohne fallen gelassen zu werden. Von dieser Ist-mir-egal-Mentalität haben sich CDU und SPD noch immer nicht ganz befreit.

Die Skandalgeschichte des Airports begann schon mit der Entscheidung, wo er zu bauen sei. Zwei geeignete Standorte rund 60 Kilometer südlich Berlins im dünn besiedelten Brandenburg wurden verworfen. Stattdessen wählte man 1996 den ehemaligen DDR-Flughafen Schönefeld direkt an der Stadtgrenze. Hunderttausende Anwohner leiden dort künftig unter dem Krach der Flugzeuge.

Im zweiten Schritt entschieden die Regierungen des Bundes, Berlins und Brandenburgs, dass die ihnen gehörende Flughafengesellschaft den Neubau selbst planen solle. Die Politiker wollten nicht von Baukonzernen wie Hochtief über den Tisch gezogen werden. Nachteil: Die Flughafenfirma hatte von Planung und Steuerung eines milliardenteuren Neubaus keine Ahnung. „Daraus sprach eine totale Selbstüberschätzung“, sagt Harald Moritz (Grüne), der im U-Ausschuss sitzt.

So nahm die Misere ihren Lauf. Der Flughafengesellschaft fehlten kompetente Mitarbeiter, ständig mischte sich die Politik mit neuen Wünschen ein, auf der Baustelle blickte kaum noch jemand durch. Wowereits politische Karriere endete 2014 auch, weil die Geschichte sein Ansehen ruiniert hatte. Anfang 2017 beriefen die Flughafeneigner Engelbert Lütke Daldrup als neuen Geschäftsführer der Airportfirma. Eine auf Projektsteuerung spezialisierte Firma stieg ein. Die Genehmigungsbehörden haben dem Flughafen inzwischen die Funktionsfähigkeit bescheinigt. Man wird sehen.

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