Washington – Millionen Amerikaner werden am Dienstag entscheiden, wer als mächtigster Politiker der westlichen Welt ins Weiße Haus einzieht. Präsident Donald Trump (74) bewirbt sich um eine zweite Amtszeit, sein Herausforderer ist der ehemalige Vizepräsident Joe Biden (77). Hier das Wichtigste zum Ablauf und zur Bedeutung der Wahl:
Wie funktioniert das Wahlsystem?
Die US-Wähler stimmen nur indirekt darüber ab, wer Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums („Electoral College“), das am 14. Dezember den Präsidenten wählt. Jeder Bundesstaat entsendet – je nach Einwohnerzahl – eine bestimmte Anzahl von Wahlmännern und -frauen in das Gremium, das insgesamt 538 Mitglieder hat. Die Wahlleute richten sich nach dem Ergebnis in ihrem Bundesstaat. Zum Wahlsieg nötig sind 270 Stimmen im Electoral College. In fast allen Bundesstaaten bekommt der Kandidat, der sich dort die Mehrheit sichert, alle Wahlmänner-Stimmen, nach dem Prinzip „winner takes all“ – alles für den Sieger. Nur die Wahlleute aus Maine und Nebraska vergeben ihre Stimmen nach dem Verhältnis der Wählerstimmen in ihren Staaten. Am 6. Januar wird im US-Kongress offiziell bekannt gegeben, wer der nächste Präsident sein wird. Der leistet dann am 20. Januar seinen Amtseid. Zum Vizepräsidenten wird die Person, die der Sieger vor der Wahl zu seinem Kandidaten für dieses Amt ernannt hat. Trump tritt erneut mit dem derzeitigen Vize-Präsdidenten Mike Pence an, Biden mit Kamala Harris. Sie wäre die erste Frau und die erste Schwarze in diesem Amt.
Wieso ist die Wahl so wichtig?
Der US-Präsident hat eine enorme Machtfülle. Er ist Staats- und Regierungschef sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte, hat in der Außenpolitik recht freie Hand und kann in vielen anderen Politikbereichen – von Militäreinsätzen bis zur Verhängung von Strafzöllen und der Regulierung von Einwanderung und Umweltschutz –sehr viel entscheiden. Zudem kann er über Verfügungen zumindest zeitweise in Politikbereiche eingreifen, die sonst dem Parlament vorbehalten sind. Um innenpolitisch nachhaltig zu wirken, braucht der Präsident dennoch beide Parlamentskammern. Auch über deren Zusammensetzung stimmen die Amerikaner am 3. November ab. Die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus gilt als einigermaßen sicher. Im Senat, der bei der Besetzung von Regierungs- und Richterposten mitredet, haben die Republikaner eine knappe Mehrheit.
Wer darf wählen?
Wahlberechtigt ist zunächst jeder der rund 330 Millionen US-Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist. In den meisten Bundesstaaten sind aber Häftlinge und Menschen, die wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden, ausgeschlossen. Einer Bürgerrechtsgruppe zufolge betrifft das rund 5,2 Millionen Menschen.
Wie hoch ist die Wahlbeteiligung?
Bei der Präsidentenwahl 2016 stimmten rund 137 Millionen Amerikaner ab. Gemessen an der Bevölkerung im wahlfähigen Alter von rund 245 Millionen entsprach das einer Wahlbeteiligung von knapp 56 Prozent. Gründe sind die in manchen Staaten hohen Hürden für die notwendige Registrierung als Wähler, Frust über die Politik und in vielen Staaten der Umstand, dass dort ohnehin immer die gleiche Partei gewinnt. Die Wähler haben dort den Eindruck, dass ihre Stimme wegen des Winner-takes-all-Prinzips entweder nicht benötigt wird oder nichts bewirkt. In diesem Jahr ist die Wahlbeteiligung wegen der Pandemie schwer einzuschätzen.
Wann wird abgestimmt?
Die ersten Wahllokale im nordöstlichen Bundesstaat Vermont öffnen am heutigen Dienstag ab 5 Uhr Ortszeit (11 Uhr Mitteleuropäische Zeit). Im Westküstenstaat Kalifornien öffnen die Wahllokale um 7 Uhr Ortszeit (16 Uhr MEZ). Mit Schließung der letzten Wahllokale in Alaska ist die US-Wahl beendet. Das ist nach mitteleuropäischer Zeit um 7 Uhr am Mittwochmorgen.
Die Briefwahl und in den meisten Bundesstaaten auch die Vorab-Stimmabgabe im Wahllokal laufen bereits. 2016 waren auf diesen beiden Wegen noch rund 40 Prozent der Stimmen schon vor dem Wahltag abgegeben worden. In den vergangenen Wochen haben sich nun bereits über 80 Millionen Amerikaner an der Wahl beteiligt.
Wann wird ein Ergebnis erwartet?
Bei den vergangenen Präsidentenwahlen stand der Sieger meist in der Wahlnacht fest. Experten gehen aber davon aus, dass diesmal wegen der Pandemie fast die Hälfte der Wähler per Brief wählen könnte. In manchen Bundesstaaten dürfen noch am Wahltag abgesendete Stimmzettel gezählt werden und die Auszählung von Briefwahlstimmen ist komplexer, etwa wegen eines nötigen Abgleichs von Unterschriften. Die Verantwortlichen in mehreren Bundesstaaten, darunter die Swing States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin, haben gewarnt, die Auszählung könnte bis Freitag dauern. Umfragen zufolge wollen mehr Demokraten als Republikaner die Briefwahl nutzen. Daher könnten die ersten Ergebnisse aus den Wahllokalen mancherorts Trump in Führung sehen, die Auszählung der Briefwahlunterlagen letztlich aber Biden zum Sieg verhelfen. In einzelnen Bundesstaaten könnte es, wie vor 20 Jahren in Florida, Klagen auf erneute Auszählung geben.
Wieso ist Briefwahl jetzt umstritten?
Trump hat gewarnt, die Zunahme der Briefwahl werde zu massiver Wahlfälschung führen. Vor allem kritisiert er, dass in manchen Staaten Wahlunterlagen unaufgefordert verschickt werden. Mancherorts würden Stimmzettel an „Tote und Hunde“ geschickt, sagte Trump. Er hat bislang aber keine stichhaltigen Beweise vorgelegt. Experten und selbst viele Republikaner weisen seine Warnungen zurück. Wahlbetrug ist in den USA sehr selten. Selbst kleinere Fälle können zu Gefängnisstrafen führen.
Viele Demokraten befürchten, dass Trump die Rechtmäßigkeit der Abstimmung insgesamt infrage stellen könnte. Das ist die Logik: Sollte Trump unterliegen, könnte er von Wahlbetrug sprechen und sich weigern, das Ergebnis anzuerkennen. Eine verzögerte Bekanntgabe des Ergebnisses könnte seinen Vorwürfen Rückenwind verschaffen. Das Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Im August etwa sagte Trump mehrfach, er werde nur verlieren, „falls die Wahl manipuliert ist“. Das Vertrauen darauf, dass die Wahlergebnisse richtig ausgezählt würden, ist Umfragen zufolge bereits deutlich gesunken.