Geldentzug bei Rechtsverstoß

von Redaktion

EU-Staaten und Parlament einigen sich auf Mechanismus

Brüssel – Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz könnten für EU-Staaten wie Polen und Ungarn künftig teuer werden. Trotz Drohungen aus Warschau und Budapest einigten sich Vertreter anderer EU-Länder und des Europaparlaments gestern auf ein Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln bei bestimmten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Mit Spannung wird nun erwartet, ob Ungarn und Polen wirklich aus Protest dagegen wichtige Entscheidungen für den langfristigen EU-Haushalt und das geplante Corona-Konjunkturprogramm blockieren.

Mit dem neuen Rechtsstaatsmechanismus könnte es erstmals in der EU-Geschichte möglich werden, die Missachtung von grundlegenden EU-Werten im großen Stil finanziell zu ahnden. Konkret soll dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten in einem Empfängerstaat den Missbrauch von EU-Mitteln ermöglicht oder klar fördert.

„Der neue Konditionalitätsmechanismus wird den Schutz des EU-Haushalts stärken“, kommentierte der deutsche Botschafter Michael Clauß, der die Gespräche als Vertreter der derzeitigen deutschen EU-Ratspräsidentschaft für die Regierungsseite führte. Nun gelte es auch die Verhandlungen über den langfristigen EU-Haushalt und das Corona-Konjunkturpaket schnell abzuschließen.

Vor allem dem mächtigen Chef der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz unzulässig auszubauen. „Der Kuschelkurs mit Orban und Kaczynski ist beendet“, kommentierte der FDP-Politiker Moritz Körner.

Gerade deswegen birgt die Einigung allerdings auch politischen Sprengstoff. Die Regierungen in Ungarn und Polen haben bereits vor Längerem mit einer Blockade von wichtigen EU-Entscheidungen zum Gemeinschaftshaushalt gedroht, sollte der Rechtsstaatsmechanismus wirklich eingeführt werden. Dies könnte auch dazu führen, dass das geplante Corona-Konjunkturprogramm der EU nicht starten kann.

Eine Mehrheit der EU-Staaten hatte Ende September aber dennoch dafür gestimmt, Verhandlungen mit dem Parlament über den Mechanismus zu beginnen. Wegen des Drucks der Abgeordneten wird das Bestrafungsinstrument nun sogar schärfer werden, als es von der Mehrheit der EU-Staaten angedacht war. So erreichte das Parlament, dass Strafen zeitlich schneller verhängt werden können und dass schon dann gehandelt werden könnte, wenn wegen Brüchen der Rechtsstaatlichkeit ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Der ursprünglich auf dem Tisch liegende Vorschlag sah vor, Kürzungen von EU-Finanzhilfen nur dann zu ermöglichen, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit „in hinreichend direkter Weise Einfluss“ auf die Haushaltsführung und die finanziellen Interessen der Union haben.

Die Regierungsseite blieb dafür beim Thema Entscheidungsverfahren hart. Mittel sollen nur gekürzt werden können, wenn eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten dies stützt. Das macht die Zustimmung von mindestens 15 Ländern notwendig, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Ein Grund dafür ist, dass sich andere Verfahren als wirkungslos erwiesen haben. So laufen gegen Polen und Ungarn bereits sogenannte Artikel-7-Verfahren der EU, die theoretisch sogar mit einem Entzug von EU-Stimmrechten enden könnten. Sie sind aber wegen großer Abstimmungshürden blockiert. A. HAASE

Abgeordnete schärfen nach

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