Rom – Das Grün ist von der italienischen Landkarte verschwunden. Seit Freitag bestimmen nur noch drei Farben Italien während der zweiten Welle der Corona-Pandemie: Gelb, Orange und Rot. Wenn man so will, ist das die neue italienische Trikolore. Die Farben zeigen den Stand der Pandemie an. Noch herrscht Gelb vor, damit sind die Regionen gekennzeichnet, für die die Regierung weniger schwere Einschränkungen vorsieht. Orange sind Sizilien und Apulien, hier gilt die zweithärteste Stufe.
In der Lombardei, Piemont, Kalabrien und dem Aosta-Tal herrscht seit gestern wieder ein harter Lockdown. Wie bereits während der Schließungen von März bis Mai dürfen in diesen vier Regionen die Menschen nur zur Arbeit, zum Arzt oder für wichtige Besorgungen das Haus verlassen. Auch individueller Sport ist genehmigt. Grundschulen und Kindergärten bleiben geöffnet. Bars und Restaurants dürfen wie aktuell in Deutschland nur noch Waren zum Mitnehmen verkaufen.
In allen drei Zonen gilt eine Ausgangssperre ab 22 Uhr bis 5 Uhr am kommenden Morgen. In den gelben Zonen, zu denen noch die meisten Regionen Italiens zählen, bleiben Restaurants und Bars bis 18 Uhr geöffnet. In den orangefarbenen Zonen gilt ein Mittelweg. Die Regierung von Premierminister Giuseppe Conte will durch dieses abgestufte Vorgehen einen nationalen Lockdown wie im Frühjahr verhindern.
Die Maßnahmen sollen vorerst bis 3. Dezember gelten. Allerdings scheint es nur eine Frage der Zeit, bis mehr Regionen zur roten Zone erklärt werden. Italienweit wurden täglich rund 30 000 neue Infektionen registriert. „Wir können nicht mehr warten“, sagte Conte. Dazu passt, dass Deutschland am Freitagabend wegen der dramatisch steigenden Infektionszahlen ganz Italien als Corona-Risikogebiet einstufte, gültig ab Sonntag.
Unterdessen gerät der bislang von der Bevölkerung mit viel Wohlwollen begleitete Conte zunehmend in die Kritik. Er sieht sich zwischen Gesundheitsminister Roberto Speranza, der für harte Maßnahmen eintritt, und den Gouverneuren der Regionen, die bislang auch eigenständig Einschränkungen verfügen konnten, in der Mangel. Besonders hart ist der Gouverneur der Lombardei, Attilio Fontana. Der Lega-Politiker ist gegen die rote Zone in seiner Region, die erneute Blockade sei „eine Ohrfeige für die Bürger“. Auch Lega-Chef Matteo Salvini pflichtete Fontana bei. Minister forderten zuletzt, die Lega solle sich deutlicher von den gewalttätigen Protesten der vergangenen Tage distanzieren.
Der Ministerpräsident muss sich zunehmenden Spannungen in seiner Koalition stellen. Zuletzt begehrten Ex-Premier Matteo Renzi und seine Splitterpartei Italia Viva auf, die vorzeitige Schließungen für Restaurants und Bars ablehnten und mit Koalitionsbruch drohten. Angesichts der unpopulären und wirtschaftsschädigenden Entscheidungen sinken die Beliebtheitswerte des Premiers. Der „Anwalt des Volkes“, wie sich Conte einst nannte, ist zwar noch der beliebteste Politiker, in den Rankings sanken seine Werte zuletzt aber um sieben Prozentpunkte.
Gegen die neuen Maßnahmen gab es zudem Proteste. Am Donnerstagabend demonstrierten in Bergamo nach Medienberichten hunderte Menschen. Bergamo war in der ersten Welle schwer getroffen worden. In der aktuellen zweiten Welle sind die Fallzahlen in der Stadt weniger dramatisch.