Berlin – Christian Lindner fürchtet einen „Jojo-Effekt“. Dem FDP-Fraktionsführer im Bundestag geht es dabei nicht um seine schlanke Linie. Lindner spricht von den Einschnitten in Grundrechte, die Bund und Länder den Bürgern im Kampf gegen das Coronavirus zumuten. Was, wenn all die drastischen Maßnahmen unmittelbar nach ihrer Aufhebung wieder zum ursprünglichen Zustand zurückführen? Sprich: Wenn die Infektionszahlen wieder steigen, sobald Restaurants und Theater wieder öffnen. Wie es langfristig weitergeht, das sei offen, sagt Lindner.
Klar sei hingegen, dass die „wackelige“ Rechtsgrundlage dieser Maßnahmen gesetzlich untermauert werden müsse. Nur wolle die Große Koalition das nun mit einem Gesetzesentwurf tun, der einem „rechtspolitischen Feigenblatt“ gleiche. Statt den Bundestag zu beteiligen, sollen damit nur bereits getroffene Entscheidungen nachträglich legitimiert werden, sagt Lindner. „Das geht hart an die Grenze der Missachtung des Parlaments.“
Konkret sollen nach den Plänen von Union und SPD bisherige allgemeine Formulierungen im Infektionsschutzgesetz präzisiert werden. Welche Schritte im Kampf gegen das Virus nötig sein könnten, soll einzeln aufgelistet werden – etwa Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebote oder die Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Genannt werden auch Untersagungen, Beschränkungen oder Schließungen von Geschäften und Veranstaltungen. All das aber nur, solange der Bundestag wie geschehen eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellt.
Das Ziel des Ganzen: Das überarbeitete Gesetz soll eine „rechtliche Klarstellung“ sicherstellen, damit die von den Ländern verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie künftig besser vor den Gerichten Bestand haben, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dafür wurde eigens der neue Paragraf 28a eingezogen.
Doch die Vorlage aus Spahns Ministerium komme viel zu spät, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann. Zudem seien die Rechte des Parlaments auch in der Neufassung nicht ausreichend geregelt. Auch die SPD-Abgeordnete Bärbel Bas äußert den Wunsch nach einer stärkeren Parlamentsbeteiligung. Darüber wolle sie mit dem Koalitionspartner Union sprechen.
Nach bisheriger Planung soll das Gesetz bis Mitte November von Bundestag und Bundesrat endgültig verabschiedet werden. Vorgesehen sind unter anderem auch neue Regeln bei Verdienstausfällen. So sollen Entschädigungsansprüche für Eltern bis März 2021 verlängert und erweitert werden, die wegen einer Kinder-Betreuung nicht arbeiten können. Wer eine „vermeidbare Reise“ in ausländische Risikogebiete macht, soll dagegen für eine nach Rückkehr nötige Quarantäne keine Entschädigung für seinen Verdienstausfall bekommen.
Darüber hinaus gibt es Neuigkeiten bei den Quarantäne-Regeln. Ab kommendem Montag gelten bei der Einreise aus ausländischen Corona-Risikogebieten nach Bayern verschärfte Vorschriften. Die Quarantänepflicht trifft dann im Grundsatz alle bayerischen Rückkehrer, die sich länger als 24 Stunden in Tirol oder einem anderen Risikogebiet aufgehalten haben. Auch Ausländer, die länger als 24 Stunden in Deutschland bleiben, sind betroffen. Bisher war die Schonfrist doppelt so lang.
Unterdessen setzt Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Durchsetzung der Corona-Regeln offenbar auf Abschreckung. Er will Quarantäneverweigerer zwangsweise in ein geschlossenes Krankenhaus einweisen lassen.