„Die alten Zeiten kommen nicht zurück“

von Redaktion

Der Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) über die Wahl Bidens und das Verhältnis zu den USA

Kaum einer kennt sich im transatlantischen Verhältnis so gut aus wie Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Wir sprachen mit dem 55-Jährigen.

Viele Menschen denken ja, mit einem Präsidenten Joe Biden werde im transatlantischen Verhältnis alles wieder so werden wie früher. Denken Sie das auch?

Nein, die alten Zeiten kommen nicht zurück. Die USA werden nicht wieder wie im Kalten Krieg die Rolle des Weltpolizisten einnehmen, der den anderen die Arbeit abnimmt. Aber mit Joe Biden als Präsident werden die USA wieder zu einem vernünftigen Umgang mit Deutschland und Europa, zu einer verlässlichen Partnerschaft zurückkehren. Für uns Europäer ist das eine Chance, uns mehr in diese Partnerschaft einzubringen.

Trump hatte Europa mit Putin ziemlich allein gelassen. Wird das auch für Biden gelten?

Auch die Außenpolitik eines Präsidenten Joe Biden wird sich stark auf China und den Indopazifik konzentrieren. Es ist an uns Europäern, uns mehr um unsere eigene Nachbarschaft zu kümmern, also um unsere östlichen Nachbarn wie die Ukraine, Belarus und Russland und im Süden um den Nahen Osten und Nordafrika. Das werden die Regionen europäischer Verantwortung sein. Ein Thema, das auch in Zukunft bilateral zwischen den USA und Russland eine besondere Rolle einnehmen wird, ist die atomare Rüstungskontrolle.

Muss Europa außenpolitisch also so oder so eigenständiger werden, wie SPD-Fraktionschef Mützenich sagt?

Rolf Mützenich sagt im Kern, dass Europa sich abkoppeln solle von den USA. Ich sage genau das Gegenteil: Wir müssen mehr in die Partnerschaft mit den USA einbringen, denn sie muss ausgeglichener werden als bisher. Fakt ist und bleibt, dass wir einander brauchen.

Was bedeutet ein Präsident Biden für die größten Streitpunkte mit Deutschland: Ostseepipeline und Rüstungsausgaben?

Beide Themen sind in den USA ein überparteilicher Konsens; hier wird es keine Änderung der amerikanischen Position geben. Auch Biden wird von den Deutschen einen größeren Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas erwarten.

Bisher stand die CDU immer den Republikanern näher, ein Verhältnis fast wie Bruderparteien. Ist das unter Trump dauerhaft zerstört worden?

Nein, ein enges Verhältnis besteht seit Jahrzehnten, und ich selbst habe in den vergangenen Jahren immer Kontakt zu republikanischen Kongressabgeordneten gehalten. Mit der Tea-Party-Bewegung zu Beginn der Amtszeit Obamas und mit der feindlichen Übernahme der Republikanischen Partei durch Trump haben sich CDU und Republikaner allerdings voneinander entfernt. Nach der Wahl sehen wir: Einerseits steckt mehr Trump in den Republikanern, als wir dachten, andererseits gibt es Anti-Trump-Kräfte in der Partei. Mit diesem Richtungskrieg werden sich die Republikaner noch einige Jahre beschäftigen.

Interview: Werner Kolhoff

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