Eine aufgewärmte Freundschaft

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Angela Merkel kennt sich ganz gut aus mit US-Präsidenten. Nach George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump ist Joe Biden der vierte, mit dem sie es als Kanzlerin zu tun bekommt. Gleichzeitig ist der Neue aber auch ein alter Bekannter. Acht Jahre war Biden der Vizepräsident von Barack Obama (2009 bis 2017) – und als solcher mehrmals in Deutschland, auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Man schätzt sich.

Entsprechend herzlich fiel die erste Reaktion der Kanzlerin auf Bidens Sieg aus. „Ich wünsche ihm von Herzen Glück und Erfolg“, ließ sich Merkel zitieren. Vor vier Jahren klang das noch deutlich nüchterner. Auf der Basis gemeinsamer Werte „biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an“, schrieb Merkel damals. Auch später deutete die Kanzlerin mit ihrem Minenspiel immer wieder ihre Skepsis gegenüber Trump an. Sie zog die Brauen hoch oder verdrehte die Augen, wenn sie über ihn sprach. Nun dürfte sich ihre Mimik entspannen.

John B. Emerson, unter Obama US-Botschafter in Berlin, berichtet der „Bild“ von einer „sehr guten Chemie“ zwischen Biden und Merkel. Auch inhaltlich gibt es größere Schnittmengen als mit Trump. Biden will dem Pariser Klima-Abkommen wieder beitreten. Auch kann sich Merkel berechtigte Hoffnungen machen, dass der neue Präsident den von Trump angestoßenen Truppen-Abzug aus Deutschland stoppt.

Dass es nun keine Konflikte mehr gibt, ist allerdings nicht zu erwarten. Der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zu Russland ist nicht im Interesse der USA – das sehen auch die Demokraten so. Und auch Biden missbilligt die zurückhaltende Rolle Deutschlands in der Nato. Dass sie es nicht akzeptieren wollen, dass Deutschland weniger als die anvisierten zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Rüstung steckt, haben vor allem seine außenpolitischen Berater immer wieder deutlich gemacht.

Klar ist aber: Der Ton wird ein ganz anderer sein als bei Trump. Es ist kaum vorstellbar, dass Biden sich in den USA damit brüsten wird, wie er sich die „Angela“ zuletzt wieder zur Brust genommen hat. Und auch künftige Kanzler – sollten sie nun Laschet, Merz, Söder, Baerbock oder Scholz heißen – müssten wohl nicht fürchten, dass Biden oder auch seine Vize-Präsidentin Kamala Harris sie am Telefon als „dumm“ bezeichnen würden – wie es Trump gegenüber Merkel getan haben soll. „Der Punkt ist, dass es natürlich Themen gibt, über die wir uns nicht einig sind, aber diese definieren unsere Beziehung nicht. Sie sind einfach Teil einer viel größeren und tieferen Beziehung“, sagt Ex-Botschafter Emerson.

Entsprechend groß scheint die Befreiung in Berlin. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, er wolle das Offensichtliche gar nicht erst mit diplomatischen Floskeln verdecken: „Wie viele meiner Amtskollegen überall in Europa bin auch ich erleichtert.“ Außenminister Heiko Maas (SPD) sieht unter einem Präsidenten Biden die Chance auf einen „transatlantischen Neuanfang“. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wies auf die „vielen Gemeinsamkeiten“ mit den USA hin. Auch FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich erleichtert: Mit Joe Biden werde „nicht jede Meinungsverschiedenheit verschwinden“, es gebe aber die Chance auf einen Neubeginn.

Das Mitleid für den Wahl-Verlierer Trump scheint hingegen überschaubar. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte der „Bild am Sonntag“. Seine eigene Partei müsse dem Präsidenten nun beibringen, dass er verloren hat. Die Republikaner müssten ihm sagen: „Es isch, wie es isch, und jetzt isch over.“

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