München – Die Bundesregierung hat offenbar keinen Überblick darüber, wie viele Islamisten in Deutschland inhaftiert sind und wann sie freikommen. Nachdem bekanntgeworden war, dass die Attentäter von Wien und Dresden schon im Gefängnis saßen, teilte das Bundesjustizministerium der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit, nur eine Zahl von Juni 2018 zu kennen. Damals waren bundesweit 136 Islamisten in Haft.
Eine Umfrage der FAS unter den Justizministerien der Länder ergab, dass bundesweit mindestens 134 Islamisten inhaftiert sind. Manche Länder nennen nur eine grobe Zahl. Besonders viele Islamisten sitzen in Bayern (31) und NRW (36) in Haft. Mehrere Länder fürchten einen Verstoß gegen den Datenschutz, wenn sie sagen, wann Verurteilte freikommen. Hessen gibt an, dass mehrere Islamisten bis 2025 freikommen. Fünf sind es in Baden-Württemberg bis 2023. In Bayern werden sechs bis 2024 entlassen. „Unser Ziel im bayerischen Vollzug ist es, die Radikalisierung von Gefangenen zu verhindern und Extremisten zu deradikalisieren“, sagt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU).
In einem Elf-Punkte-Aktionsplan fordern Grünen-Parteichef Robert Habeck und die Innenpolitiker Irene Mihalic und Konstantin von Notz, dass Gefährder konsequent und engmaschig überwacht werden. „Wir müssen den islamistischen Terror und die mörderische Ideologie dahinter gemeinsam entschieden bekämpfen“, sagte Habeck. Die Grünen-Fraktion will kommende Woche auf der Basis dieses Papiers ein Gesamtkonzept zum Kampf gegen islamistischen Terror vorstellen. Zu den Plänen gehört, offene Haftbefehle gegen Gefährder zu vollstrecken und diese abzuschieben, „soweit es sich nicht um Deutsche handelt, dies rechtsstaatlich möglich ist und faktisch durchführbar ist“. Dazu seien noch Abkommen mit zahlreichen Herkunftsländern nötig. Das Innenministerium solle salafistische Vereine verbieten und verdächtige Geldflüsse stärker kontrollieren. Das Waffenrecht müsse verschärft und Gefängnisse müssten „als Brutstätten von Radikalisierung“ stärker ins Visier genommen werden.
Auch die CSU-Landesgruppe legt ein Strategiepapier gegen den Terror vor. „Der islamistische Terror ist wieder voll da – in einer neuen brutalen Qualität“, sagte Landesgruppenchef Alexander Do-brindt unserer Zeitung. Der islamistische Terror sei „eine Kriegserklärung an unsere freie Gesellschaft“. Die Anschläge von Nizza, Paris, Dresden, Wien seien „getrieben von Hass auf unser Lebensmodell, unsere Grundwerte und unsere Demokratie. Man müsse sie „mit allen Mitteln des Rechtsstaats beantworten“. Dazu gehört, die Grenzkontrollen zu verschärfen und Ermittler mit mehr Befugnissen besserzustellen. In Gefängnissen müssten radikalisierte Straftäter isoliert werden. Für alle bekannten Gefährder brauche es eine aktuelle Einschätzung und nötigenfalls Abschiebehaft. Bei irakischen Straftätern gelinge das besser, bei syrischen blockiere das SPD-geführte Außenministerium. epd/cd