München – Machtprobe um die Corona-Tests: Die Staatsregierung wendet sich strikt gegen Pläne des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI), den Zugang zu Tests drastisch einzuschränken. Das führe zu einer „kompletten Lähmung der Wirtschaft“, warnte Ministerpräsident Markus Söder vor einer Sitzung der CSU-Spitze. Er sei „sehr skeptisch“.
Der Streit schwelt seit Tagen. Hintergrund sind Labor-Engpässe. In der zweiten Welle sind die wöchentlichen Testzahlen von 1,0 auf 1,6 Millionen gestiegen. Bis zu 1,8 Millionen sind laut RKI-Daten in etwa die bundesweite Maximalkapazität. Die Labore haben aber einen Rückstau von 100 000 Proben, weil nicht alle voll ausgelastet, andere aber überlastet sind. Im Ergebnis braucht es teils drei Tage, bis ein Resultat vorliegt. Das RKI schließt daraus, es werde zu viel getestet. Das bundeseigene Institut rät, nur noch Menschen zu testen, nachdem sie sich bei Krankheitssymptomen in mehrtägige Selbstisolation begeben haben. Erst bei einer weiteren Verschlechterung soll es dann Tests geben.
Söder kündigt nun bayerischen Widerstand an. Er fürchtet, dass viele Arbeitnehmer in Quarantäne gezwungen werden, statt durch einen Test unkompliziert Sicherheit für sich und die Kollegen zu bekommen. Wenn erst mit etlichen Symptomen oder auf ärztliche Empfehlung hin Tests erlaubt werden, werde es „ein völliges Überlaufen der Arztpraxen“ geben. Er wolle in Bayern definitiv „keinen grundlegenden Strategiewechsel“.
Hinter den Kulissen denkt die CSU allerdings über kleinere Korrekturen an Bayerns Strategie nach. Eine Säule davon war, dass sich jeder Bürger auf Staatskosten testen lassen kann, wenn er einen Verdacht hat, aber keine Symptome. Seit Juni gilt das, formal ohne Obergrenze. Etwa mit Blick auf Weihnachten könnten sich somit Menschen sogar unkompliziert testen lassen, ehe sie mit Oma feiern. Bisher machten diese Tests einen kleinen Anteil aus, heißt es in der Regierung. Missbrauch etwa mit fünf grundlosen Abstrichen pro Woche ist Söder konkret nicht bekannt. Wie viele symptomlos Infizierte (die auch ansteckend sind) so entdeckt wurden, ist aber auch unklar. Bundesweit sind derzeit 7,3 Prozent der Tests positiv, eine eher hohe Quote, für Bayern liegt keine Zahl vor. Heute berät der Ministerrat, ob dieser Teil von Söders Testversprechen gehalten wird. Als denkbar gilt ein Modell aus Stuttgart, wo die kostenlosen Tests limitiert wurden, in diesem Fall auf zwei bis Weihnachten.
Auch an anderen Stellschrauben dreht die Staatsregierung. So wurden die Mitte September versprochenen Reihentests für Lehrer gestrichen. Nach Angaben der FDP hat dies ein Vertreter des Kultusministeriums vor Abgeordneten bestätigt und auf eine bisher nur geringe Anzahl positiver Tests verwiesen. Nach den Sommerferien hatten sich 5642 Schulen in Bayern an Reihentests beteiligt, 265 nicht. 57 Prozent der Lehrer (87 433) ließen sich testen.
Im Ländervergleich testet Bayern mehr als andere Regionen, aber nicht exorbitant viel. In den vergangenen drei Monaten waren es laut RKI 1,08 Millionen Tests. NRW hatte 1,739 Millionen, Baden Württemberg nur eine knappe halbe Million. Zugeordnet wird anhand des Standorts des Einsenders, also etwa der Praxis, nicht des Patienten.
Festhalten will der Ministerrat heute daran, dass die Tests (Größenordnung: 50 bis 120 Euro) kostenlos für die Bürger bleiben. Söder setzt zudem darauf, dass die neuen Schnelltests die Labor-Lage entspannen, in Bayern kursieren derzeit rund 400 000. Parallel dazu will Söder auch an die besorgten Lehrer und Eltern ein Signal senden und am Mittwoch eine Schule in München besuchen. cd