Washington – Selbstvertrauen gehört zu jedem Wahlkampf dazu, und wenn es Donald Trump an einem nicht mangelt, dann daran. Selbst für seine Verhältnisse lehnte sich der US-Präsident aber weit aus dem Fenster, als er behauptete, dass er bei der Wahl gegen „den schlechtesten Kandidaten“ jemals antrete. Und wenn er doch gegen den Demokraten Joe Biden verlieren sollte? „Vielleicht werde ich das Land verlassen müssen“, spottete der Republikaner Mitte Oktober.
Trump wehrt sich immer noch dagegen, seine Niederlage gegen Biden anzuerkennen. Eine Gratulationsrede für den Demokraten ist nicht geplant, und für den gestrigen Abend wurde erwartet, dass die Trump-Anwälte in mehreren Bundesstaaten mit knappen Ergebnissen weitere Klagen einreichen. Das politische Portal „Axios“ sprach gestern unter Berufung auf Insider der Trump-Kampagne von einem drei- bis sechswöchigen „Blitzkrieg“, den Juristen unter Leitung von Trump-Anwalt Rudy Giuliani nun möglicherweise bis Weihnachten führen wollen. Interne Versuche von First Lady Melania Trump und Schwiegersohn Jared Kushner, den Präsidenten zur Aufgabe zu bewegen, hatten Berichten zufolge nicht gefruchtet.
Aller Voraussicht nach wird Trump aber am 20. Januar das Weiße Haus verlassen müssen. Was geschieht danach mit ihm?
Absehbar ist, dass Trump – der sich nicht als Berufspolitiker sieht – vielleicht aus Washington, nicht aber in der Versenkung verschwinden wird. „Trump wird sich wahrscheinlich als widerstandsfähiger als erwartet erweisen und mit ziemlicher Sicherheit eine mächtige und störende Kraft im amerikanischen Leben bleiben“, schrieb die „New York Times“.
Der Präsident mag abgewählt sein, der Trumpismus, seine Ideologie, ist damit nicht passé. Der Staatschef hat bei der Wahl mehr als 70 Millionen Stimmen bekommen, fast jeder zweite Wähler hätte ihm eine zweite Amtszeit gewünscht. In einer Umfrage des „Washington Examiner“ vor der Wahl sprachen sich unter Anhängern seiner Republikaner 38 Prozent dafür aus, dass er im Fall seiner Niederlage später noch einmal als Präsident kandidieren sollte. Rechtlich spräche nichts dagegen, sollte er 2024 wieder antreten wollen.
Beruflich könnte Trump zu seinen Wurzeln zurückkehren: Er könnte wieder eine Fernsehshow bekommen, als Reality-TV-Star war er früher außerordentlich erfolgreich. Spekuliert wurde immer wieder darüber, dass Trump nach seinem politischen Engagement einen eigenen Sender betreiben könnte. Vor allem könnte er wieder die Führung der Trump-Organisation übernehmen, die vor allem im Immobilienbereich aktiv ist und Hotels und Golfplätze betreibt. Nach seinem Wahlsieg 2016 hatte Trump die Leitung des Firmen-Konglomerats an seine Söhne Eric und Donald Junior abgegeben. Er blieb aber Besitzer, obwohl er versprochen hatte, sich von seinen Geschäften „vollständig zu isolieren“.
Kritiker warfen ihm Interessenkonflikte vor – und beschuldigten ihn, Profit aus dem Präsidentenamt geschlagen zu haben. Auch diese Vorwürfe dürften mit Trumps Ausscheiden aus dem Amt nicht ausgestanden sein. Juristisch könnte es für Trump deshalb ungemütlich werden. Die „Washington Post“ machte sich schon vor der Wahl die Mühe, „ein Strafregister für einen früheren Präsidenten“ zusammenzustellen. Als mögliche Anklagepunkte führte sie Verstöße gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung, Bestechlichkeit und Justizbehinderung an. Letzteres zielt vor allem auf die Russland-Untersuchungen von FBI-Sonderermittler Robert Mueller ab.