Wer die erste Dosis bekommen soll

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND ANNETTE REUTHER

München/Berlin – Am Montagmittag wirkt es so, als würde die gute Nachricht vom Impfstoff plötzlich hereinplatzen ins Land. Aber sie hat sich angeschlichen, seit Tagen. Am Samstag berichtet die Bundeswehr, wie sie eines fernen Tages mal einen Impfstoff gekühlt transportieren und bewachen könnte. Am Sonntag meldet sich die Kanzlerin zu Wort, wie dereinst mal ein Impfstoff im Land verteilt werden könnte, an Ärzte zuerst. Am Montagmorgen tagen die wichtigsten Expertengremien der Wissenschaft genau zur Frage, wer genau den Impfstoff in welcher Reihenfolge bekommen könnte.

Es gibt also so etwas wie einen Plan für den Rückweg aus dem Ausnahmezustand, vom ganzen Land so intensiv erhofft, dass nach der Impfstoff-Ankündigung die Börsen durcheinanderpurzeln. Alle Beteiligten lassen aber keinen Zweifel daran: Es wird noch Wochen bis zur Zulassung und Monate bis zu großflächigen Impfungen dauern.

Die erste Herausforderung wird die Lieferkette. Den Einkauf regelt der Bund. Unter anderem müssen dann Lagertemperaturen bei minus 70 Grad Celsius eingehalten werden. Dazu braucht es Ultratiefkühlschränke. Der Bund werde den Impfstoff an neun Stellen in Bayern liefern, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Zeitgleich baut der Freistaat Impfzentren in jeder großen Stadt und jedem Landkreis auf, analog zu den lokalen Testzentren. Diese Impfstationen, von den Landratsämtern betrieben, sollen das Serum verabreichen. Sie werden durch mobile Teams ergänzt, die zum Beispiel Altenheime durchimpfen. Nach einer ersten Abfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns haben sich laut Gesundheitsministerium in Bayern bislang mehr als 1850 Vertragsärzte bereit erklärt, sich daran zu beteiligen.

„Klar ist auch: Der Impfstoff wird nicht sofort flächendeckend für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen. Deshalb ist eine Priorisierung des Angebots in der Anfangsphase notwendig“, sagt Huml. Sie spricht von „vulnerablen“ Gruppen – etwa alte Menschen mit Vorerkrankungen – die neben Ärzten und Pflegern früh geimpft werden sollen.

Das passt zu den Richtlinien, die der Deutsche Ethikrat, die Ständige Impfkommission und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am Montagmorgen vorgelegt haben. Impfstoffe würden nach einem „kurzfristigen Engpass“ im Sommer 2021 breit zur Verfügung stehen. Mindestens bis dahin sollen die Impfdosen auf vier Gruppen konzentriert werden. Dabei handelt es sich um Menschen, die etwa wegen ihres Alters und wegen Vorerkrankungen ein stark erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben. Das treffe in hohem Maße auf Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zu, sagt die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx. Dazu kommen Menschen aus dem Gesundheitsbereich, die einem großen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Zwischen privat und gesetzlich Versicherten werde nicht unterschieden.

Außerdem sollen bevorzugt Menschen geimpft werden, die in staatlich und gesellschaftlich wichtigen Bereichen arbeiten. Als Beispiele nannte Buyx Polizisten, Rettungskräfte, Mitarbeiter von Gesundheitsämtern, Lehrer und Erzieher. Ebenfalls berücksichtigt werden sollen demnach Menschen, die in Einrichtungen leben, in denen sich das Virus besonders leicht verbreitet.

Bis Jahresende wird auf Bundesebene ein Gesetz dazu erwartet. Es soll auch regeln, dass die Impfungen in irgendeiner Form, vielleicht anonymisiert, zentral gespeichert werden – um Nebenwirkungen und den Effekt zu dokumentieren. Annahme ist, dass für eine wirksame Impfung meist zwei Impfdosen mit mindestens drei Wochen Abstand erforderlich sind. Eine Impfpflicht ist nach Angaben der Ethik-Experten und der Politik nicht geplant.

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