München – Das könnte ein sechs Wochen langer November werden. Der Lockdown, zunächst auf diesen Monat beschränkt, könnte sich weit in den Dezember hinein ziehen. Das zeichnet sich hinter den Kulissen bei den Regierungen in München und Berlin ab. Zahlreiche Politiker mahnten zu Geduld. „Wir werden diskutieren, ob sich der Lockdown light in den Dezember verlängert“, sagt beispielsweise Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) – auch wenn er das nicht hoffe.
Die Hälfte der Bayern hat das bereits vermutet. 47 Prozent sagen in einer neuen Umfrage (GMS für Sat1), die Maßnahmen im November würden wohl nicht genügen. Drei Viertel fordern schärfere Kontrollen, zwei Drittel härtere Strafen.
Ein fester Automatismus für ein Ende der pauschalen Einschnitte im öffentlichen Leben ist nicht formuliert. Als Ziel hatten die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel Anfang November ausgegeben, die Sieben-Tage-Inzidenz wieder unter 50 zu drücken. Am Tag des Beschlusses waren es bundesweit 94, bis Dienstag stieg das konstant auf über 139. Das ist schlüssig, weil die Inzidenz die Ansteckungen von vor ungefähr zwei Wochen widerspiegelt, die Maßnahmen also noch nicht greifen können. Die Dynamik im Anstieg ist allerdings deutlich geringer geworden. Wenn sich das fortsetzt, könnte der 50er-Wert nach groben Schätzungen gegen Mitte Dezember erreicht werden.
Politisches Ziel ist, die Kontaktsperren vor Weihnachten zu lockern – für die Familien, und auch um dem Handel das existenzwichtige Weihnachtsgeschäft nicht zu durchkreuzen. Ob sie den Lockdown in den Dezember verlängern, entscheiden die Ministerpräsidenten Anfang der Woche bei ihrer nächsten Videokonferenz. Schwierig bei diesem Beschluss: Auch wenn die Neuinfektionen sinken, wird die Zahl der Patienten in den Kliniken und vor allem in den Intensivbetten zeitversetzt weiter steigen – womöglich über die Kapazität hinaus. Bayern dürfte eine eher strenge Linie vertreten. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht sogar offen von Verschärfungen vor einem Überlaufen der Intensivstationen. „Wenn droht, dass diese rote Linie überschritten wird, kommen wir um härtere Maßnahmen – unter Umständen sehr harte Maßnahmen – überhaupt nicht herum.“
Bayerns Kabinett will nächste Woche auch über die Teststrategie entscheiden. Vorerst bleibt es dabei, dass sich in Bayern jeder auch ohne Symptome testen lassen kann. Die Labore hätten eine Kapazität von 78 000 Tests pro Tag, sagte Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU), davon seien aktuell 47 000 genutzt. Gegen Missbrauch, etwa tägliche kostenlose Tests, wolle man vorgehen, aber nun „nicht hektisch umsteuern“. Auf keinen Fall setze Bayern die Pläne des Robert-Koch-Instituts um, nur noch Patienten mit Symptomen nach einer Selbstisolation zu testen.
Weil die Skepsis – auch bei Söder – über die Corona-Schulpolitik steigt, werden hier die Gelder für Ersatz-Lehrer und Hilfskräfte aufgestockt. Schulminister Michael Piazolo forderte zudem die Kommunen auf, offensiver Luftreinigungsgeräte für schlecht belüftbare Klassenzimmer zu kaufen. Bayern werde die Kosten erstatten und wolle auch in jedem Klassenzimmer eine CO2-Ampel installieren. Vor allem die Stadt München müsse hier ihre Ablehnung überdenken.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER