Berlin/Paris/Wien – Trotz Terrorgefahr sollen die Grenzen innerhalb Europas möglichst offen bleiben – stattdessen sollen Ein- und Ausreise an den Außengrenzen stärker kontrolliert werden. „Wir müssen uns nicht auf mehr Kontrollen einstellen“, sagte Kanzlerin Angela Merkelgestern nach einer Videokonferenz mit europäischen Amtskollegen, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie den EU-Spitzen Ursula von der Leyen und Charles Michel. Vielmehr gehe es darum, dass „wir auf der Außengrenzenseite mehr machen müssen“. Nach den blutigen Anschlägen in Paris, Nizza, Wien und Dresden wurde bei den Gesprächen an einer gemeinsamen Initiative gegen islamistischen Terror gearbeitet. Merkel sprach von Anschlägen „auf unsere freie Gesellschaft, auf unsere Art zu leben“.
Fast alle Teilnehmer betonten die Notwendigkeit einer Reform des eigentlich kontrollfreien Schengen-Raums, dem 26 europäische Staaten angehören. Der Schutz der Außengrenzen müsse verstärkt werden, sagte etwa Macron. Er schlug den Bogen zur Migrationspolitik und forderte, einen Missbrauch des Asylrechts zu bekämpfen. Dies sei für „Kämpfer des Friedens“ bestimmt: „Es geht nicht darum, das Asylrecht einzuschränken oder zu streichen, aber es muss richtig angewendet werden.“ Kommissionschefin von der Leyen sagte: „Unsere Europäische Union ist ein einzigartiger Raum der Freiheit. Aber diese Freiheit können wir nur verteidigen, wenn es auch Sicherheit gibt.“
Merkel stellte klar, dass es dabei nicht um neue Grenzkontrollen gehe. Vielmehr gebe es auch ohne Kontrollen sehr gute polizeiliche Möglichkeiten, im grenznahen Raum zu agieren, etwa mit der Schleierfahndung. Es könne nicht sein, dass der gesamte Schengenraum ein kontrollfreier Raum sei. Zwischen Deutschland und Österreich gebe es seit geraumer Zeit Kontrollregelungen, zudem könnten vorübergehend solche Regelungen eingeführt werden. Ganz wesentlich gehe es um den Schutz der Außengrenzen. Der niederländische Premier sagte jedoch auch: „Um ehrlich zu sein, ich bin besorgt über Schengen.“ Ein kontrollfreies Europa könne man nur bewahren, wenn es mehr Kontrollen an den Außengrenzen gebe. Es sei entscheidend, zu wissen, wer ein- und ausreist.
Von der Leyen kündigte in dem Zusammenhang an, dass ihre Behörde im Mai 2021 eine Strategie für eine entsprechende Schengen-Reform vorlegen werde. Zugleich betonte sie, dass man schon vor der Radikalisierung möglicher Straftäter aktiv werden müsse. Dies sei die „beste Waffe“ gegen Extremismus. Ihre Behörde werde Ende des Monats einen Aktionsplan für Integration vorlegen.
Auch der Kampf gegen im Internet verbreiteten Hass müsse verstärkt werden, betonten Merkel und die anderen Spitzenpolitiker. Noch in diesem Jahr sollten Verhandlungen zwischen den EU-Staaten und dem Europaparlament abgeschlossen werden, die eine schnelle Löschpflicht für terroristische Inhalte aus dem Internet vorsehen.