Biden bastelt an seinem Team

von Redaktion

VON MIKE SCHIER UND FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Die amerikanische Hauptstadt hat glamourösere Posten zu vergeben – aber nur wenig wichtigere. Der Stabschef des Weißen Hauses agiert meistens verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Doch hinter den Kulissen ist der „chief of staff“ der wichtigste Mann eines Präsidenten. Während der von Termin zu Termin hetzt, hält sein Vertrauter die Maschinerie am Laufen. Einfach ist der Job nicht: Trump verschliss in vier Jahren vier Stabschefs, Barack Obama fünf in acht Jahren.

Angesichts der Bedeutung überrascht nicht, dass nun auch Joe Biden als erste Personalie seiner künftigen Regierung den Stabschef verkündet: seinen langjährigen Berater Ron Klain. Der 59-Jährige sei für ihn über die Jahre hinweg ein Berater von „unschätzbarem Wert“ gewesen, erklärte Biden. Er rühmte Klains „tiefe“ und „weitgefächerte“ Erfahrung sowie dessen Fähigkeit, mit Menschen aus dem „ganzen politischen Spektrum“ zusammenzuarbeiten. Diese Eigenschaften würden helfen, um der derzeitigen Krisenlage zu begegnen und „unser Land wieder zusammenzuführen“.

Die Ernennung kam nicht überraschend: Der Jura-Absolvent der Eliteuniversität Harvard arbeitete schon seit den 80er-Jahren für Biden, unter anderem während dieser den Justizausschuss des Senats leitete. Als Biden später Vizepräsident unter Barack Obama wurde, war Klain als Stabschef im Biden-Team tätig. Unter Obama war Klain zudem als Koordinator der Maßnahmen gegen die Ebola-Epidemie. Nun heißt eine der größten Herausforderungen der neuen Regierung: Corona. Die Infektionszahlen erreichen neue Höchststände.

In Washington heißt es, mit weiteren Personalien wolle sich Biden bis nach Thanksgiving Zeit lassen, also bis zum 26. November. Doch natürlich schwirren bereits Namen durch die US-Hauptstadt. Der linke US-Senator Bernie Sanders, lange selbst als Präsidentschaftskandidat der Demokraten im Rennen, hat Interesse am Job des Arbeitsministers bekundet. „Wenn ich ein Ressort hätte, das es mir ermöglichen würde, für die Arbeiterfamilien einzutreten und zu kämpfen, würde ich es tun? Ja, würde ich“, sagte Sanders bei CNN. Für Biden (77) hätte dies den Vorteil, nicht der älteste in seinem Kabinett zu sein: Sanders ist bereits 79, aber bei vielen jungen und linken Demokraten äußerst populär. Genannt wird – für diverse Posten – auch immer wieder der Name Amy Klobuchar, die sich ebenfalls vergeblich für die Präsidentschaftskandidatur beworben hatte.

Während Biden mehr und mehr Tatkraft an den Tag zu legen versucht, hält sich Trump weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Seine Anwälte versuchen derweil, die Auszählungsergebnisse in einzelnen Bundesstaaten anzufechten. Experten sprechen diesen Versuchen, Bidens Wahlsieg zu kippen, geringe bis gar keine Erfolgsaussichten zu. Am Mittwoch absolvierte Trump erstmals seit der Verkündung seiner Wahlniederlage durch die Medien wieder einen öffentlichen Auftritt. Auf dem Nationalfriedhof in Arlington bei Washington nahm er an einer Zeremonie zum Tag der Veteranen teil. Dabei machte der Präsident jedoch keine öffentlichen Bemerkungen.

Wer sich in Trumps E-Mail-Verteiler befindet, erlebt in den letzten Tagen dagegen ein Phänomen: Täglich laufen vom „Election Defense Fund“ Dutzende von Werbeschreiben ein, mit denen Trump seine Sympathisanten um Spenden für die teuren Anwälte bittet. Im Kleingedruckten der Bettel-E-Mails steht dann aber, dass nicht alle eingehenden Summen für juristische Einsprüche und Gerichtsverfahren verwendet werden sollen. Rund 50 Prozent will der Fund dazu nutzen, Schulden Trumps aus dem Wahlkampf zu begleichen. Auch deshalb halten sich hartnäckig Gerüchte, der gekränkte Trump werde am Ende die Gelder, die nichts ahnende Bürger nun für Gerichtskosten spendeten, für einen neuerlichen Anlauf auf das Weiße Haus im Jahr 2024 nutzen.  (mit afp)

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