London – Die personellen Turbulenzen in der Machtzentrale des britischen Premiers Boris Johnson haben sich weiter verstärkt. Der einflussreiche Regierungsberater Dominic Cummings, 48, verließ am Freitagabend mit einem großen Pappkarton in den Händen die Downing Street. Er werde seinen Posten mit sofortiger Wirkung verlassen, schrieb die BBC. Zuvor hatte auch Johnsons Kommunikationschef Lee Cain gekündigt.
Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf ungenannte Quellen, Cummings werde noch bis Mitte Dezember weiter für die Regierung tätig sein – laut BBC-Reporterin Laura Kuenssberg allerdings nur noch von zuhause an einzelnen Projekten. Nach einem turbulenten Machtkampf verschiedener Lager in der Downing Street hatten hochrangige Regierungsquellen der BBC am Donnerstag verraten, Cummings werde „vor Weihnachten“ seinen Posten aufgeben. Letztlich kam sein Rückzug nun schneller als gedacht.
Cummings galt als Strippenzieher im Regierungssitz. Er und Lee Cain gehören zu den mächtigen Brexiteers, die den EU-Austritt Großbritanniens für eine historische Errungenschaft halten und seit geraumer Zeit den Ton in der Downing Street angaben. Cummings hatte seinen engen Verbündeten Cain als Stabschef installieren wollen, was jedoch für massiven Gegenwind in der Partei und darüber hinaus sorgte. Am Mittwoch kündigte Cain. Er und Cummings sind Weggefährten Johnsons aus dem Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum im Jahr 2016.
Ein Regierungssprecher erklärte am Freitag, die Position der Regierung im Blick auf die Brexit-Handelsgespräche mit der EU bleibe unverändert. Beobachter hatten zuvor gemutmaßt, mit Cummings Abgang könnte London kompromissbereiter werden.
Mehrere Abgeordnete aus Johnsons konservativer Tory-Partei begrüßten. Der Parlamentarier Bernard Jenkin sprach von einer Möglichkeit, „Respekt, Integrität und Vertrauen“ zwischen Regierung und Fraktion wiederherzustellen, die in den vergangenen Monaten gefehlt hätten.
Das Timing des Personalkarussells ist denkbar schlecht: Nicht nur muss Premier Boris Johnson gegen besorgniserregend hohe Corona-Zahlen ankämpfen – er muss in diesen Tagen auch entscheiden, ob er sein Land mit oder ohne Schutzschirm, nämlich einem Handelspakt mit der EU, aus der EU herausführen will.