Corona-Gesetz im Schnellverfahren

von Redaktion

VON WERNER KOLHOFF

München – „Dürfen die das?“, fragen sich viele, wenn wegen Corona Kneipen geschlossen und Reisen verboten werden. Die Antwort lautete bis jetzt „Jein“. Das soll sich nun ändern. Die wichtigsten Fragen:

Wie ist die bisherige Rechtslage?

Das Infektionsschutzgesetz wurde im Jahr 2000 beschlossen, damals ohne jegliches öffentliches Interesse. Zuständig für die Pandemiebekämpfung sind nach diesem Gesetz die Länder, der Bund nur in kleinen Teilbereichen, etwa bei der Sicherung von Außengrenzen. Was die Länder alles mit ihrer Befugnis machen dürfen, ist nicht genau geregelt; so etwas wie Corona war nicht vorstellbar. Aber dass sie Verordnungen erlassen dürfen, stand bereits im Gesetz. Und dass diese auch Grundrechte berühren dürfen, ergibt sich aus dem übergeordneten Artikel 2 des Grundgesetzes, des Rechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Eine Parlamentsbeteiligung ist weder auf Länder- noch auf Bundesebene vorgesehen.

Was ändert sich mit der Reform?

Nun soll mit einem speziellen Paragrafen für Corona genau aufgelistet werden, welche Verfügungen die Länder zur Bekämpfung der Pandemie erlassen dürfen. Masken- und Abstandspflicht, Ausgeh- und Beherbergungsverbote, Kneipen- und Geschäftsschließungen, Reisebeschränkungen und all die anderen bekannten Maßnahmen werden genannt. Allerdings mit dem Zusatz, dass sie „verhältnismäßig“ sein müssen und dass die sozialen und wirtschaftlichen Folgen mit abzuwägen sind. Außerdem müssen alle Schritte begründet und auf einen Monat befristet sein – mit Verlängerungsmöglichkeit. Gottesdienste und Demonstrationen werden besonders geschützt. Es wird eine Art Ampelsystem eingeführt, wonach starke Einschränkungen erst ab einer Zahl von 50 Neuinfektionen in sieben Tagen je 100 000 Einwohnern zulässig sind, entweder regional oder bundesweit. Je nach Lage. Auch die Situation bei den Intensivbetten spielt im Ampelsystem eine Rolle.

Verbessert sich die Beteiligung der Parlamente?

Die Tatsache, dass Einschränkungen erst nach Feststellung einer epidemiologischen Notlage durch den Bundestag erlassen werden dürfen und dass diese Lage regelmäßig neu bewertet werden muss, stellt eine gewisse Stärkung des Parlaments dar. Das war es aber schon. Die konkreten Entscheidungen werden weiter in den Landeshauptstädten getroffen. Und, wenn sie bundesweit gelten sollen, bei den Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten verabredet. Das ist übrigens, anders als viele meinen, kein illegales Gremium, obwohl es in der Verfassung nicht genannt wird. Bund und Länder koordinieren ihre Politik in vielen Fragen. Außerdem ist der Bund bei der finanziellen Flankierung von Einschränkungen gefragt.

Was sagen die Kritiker?

Im Netz sprechen unter anderem Corona-Leugner von einem „Ermächtigungsgesetz“ und erinnern damit absichtlich an die Ermächtigungsgesetze Hitlers, mit denen 1933 die NS-Diktatur begann. Die AfD verwendet den Begriff ebenfalls. Sachlichere Kritiker bemängeln, dass der Grenzwert von 50 Neuinfektionen nicht ausreichend begründet ist. Und dass im Gesetz nicht exakter festgelegt ist, wann welche Grundrechtseinschränkung verfügt werden darf. Die FDP hat einen Gegenentwurf vorgelegt. Eine harte Debatte wird erwartet. Allerdings wird das Gesetz wohl kaum noch geändert: Die Große Koalition will es schon heute im Eilverfahren abschließend beraten und am Nachmittag im Bundesrat absegnen lassen.

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